Villanova oder Marina di Ostuni?
Total egal. Wir haben unser erstes Lager in Villanova aufgeschlagen, das aber genausogut Marina di Ostuni zugerechnet werden könnte. Es ist nicht mal sicher, ob es sich überhaupt um zwei Orte handelt oder nur um zwei Namen für den gleichen Ort. Jedenfalls gibt es hier einen Yachthafen vor einer Art Kastell. Es gibt eine kurze Mole mit rotem Leuchtturm und eine lange Mole mit grünem Leuchtturm. Es gibt ein paar Bars und Ristoranti, Lebensmittel- und Fischgeschäfte, mindestens zwei Fruttivendoli und, ganz wichtig, eine Focacceria.
Villanova. Weiß getünchte Würfelhäuser, nichts Protziges, dafür umso symphatischer. Es gibt einen Strand im Westen und einen kleinen funktionalen Stadtstrand im Osten mit Kiosk und kristallklarem Wasser, das zuverlässig jedes Jahr das Marina-Blu-Abzeichen verliehen bekommt. Villanova selbst ist ein sehr süditalienisches Feriendorf. Abends geht man in das Lokal vor Ort, das vom Meer aus wie eine Ruine aussieht, sich aber vom Land aus gesehen sehr herausputzt und zackzack große Mengen hungriger Mäuler und Mäulchen gestopft kriegt. Selbstverständlich geht das nicht ohne ausladende Gestik und viel Geschrei. Ein Fest und besser als jedes Fernsehprogramm für die unmittelbaren Nachbarn, die folgerichtig alle auf ihren Terrassen sitzen und dem rührigen Treiben interessiert beiwohnen.
Mehr Süditalien geht wahrscheinlich nicht, dieses emsige Ristorante und das Ferien-Quartier drumherum, wo alle abends auf der Straße in der lauen Brise das machen, was man eben in den eigenen vier Wänden so macht: oben ohne lautstark telefonieren (mitteljunger Mann), Mandeln schälen (alte Frauen), in Grüppchen zusammensitzen und chiacchiere, Schwätzchen, halten (unbedingt geschlechtergetrennt). Überall auf Gehsteigen und Straßen stehen Stühle mit oder ohne Menschen drauf rum, und es fühlt sich an (und ist ja auch so), als ob man bei den Leuten durchs Wohnzimmer spaziert.
Insgesamt ist Villanova ein recht unaufgeregtes Städtchen, das nicht viel Aufhebens um sich macht. Nur der Himmel veranstaltet jeden Abend ein mega Spektakel.
Lokale Spezialitäten
Focaccia ist die apulische Antwort auf Pizza. Unsere Focacceria ist jeden Abend hochfrequentiert. Um an die Reihe zu kommen, zieht man eine Nummer wie bei uns daheim im Einwohnermeldeamt. Wir hatten numero sessantadue und haben dafür eine viel zu viele, zu fettige und sehr leckere Kohlenhydratbombe bekommen. Eat like a local!
Eine regionale Berühmtheit ist die Regina-Tomate aus Torre Canne. Geschmacklich und preislich vielleicht etwas overrated, ist aber die Darreichungsform in Gebinden interessant und die Tatsache, dass sie sich so angeblich in diesem Klima und hängend bis zu drei Monate hält. Mit etwas Phantasie schmeckt man auch das Meersalz raus.
Angeblich verwendet man die Reginas für Bruschetta und Focaccia. Wir wollen sie als Beilage zu Fisch probieren, den wir auf unserer Terrasse grillen möchten. Zuerst müssen wir aber herausfinden, wo wir den Fischmüll danach entsorgen können. Ich glaube, unsere Nachbarn möchten nicht, dass wir dem Vorschlag der Vermieterin-Mutter folgen, alles auf dem Balkon zu deponieren. Sie haben heute auf ihrem Balkon direkt nebendran ihre Liegestühle aufgestellt. Mein Vorschlag, es wie die Einheimischen zu halten und allen Müll einfach aus dem Auto an den Straßenrand zu werfen, stieß aber auch auf wenig Gegenliebe ;-).
Parco Naturale Regionale Dune Costiere da Torre Canne a Torre San Leonardo
Ja genau. Was so beeindruckend oder auch einfach recht umständlich klingt, ist in echt ein eher schmaler Streifen Düne, um den vielleicht etwas viel Gewese gemacht wird. Keine Frage, dass Dünenlandschaften geschützt gehören. Der Italiener hat aber ja einen recht eigenen Umgang mit seinen Naturschätzen und wie diese womöglich zu schützen seien, den wir nicht immer verstehen müssen.
Hier ist es so, dass im Dünenschutzgebiet praktisch ein Lido neben dem anderen Beach Club wohnt, jeder mit einem riesigen Parkplatz vorne dran (mehr Meerblick für Autos!!!). Dafür gibt es kaum Spiagge Libere, also Strand für Dich und mich und ohne Gebühr. Sogar die SP (Strada Provinciale oder, wie unsere Navi-Sprecherin sagt, »Strada Provintscherle«) ist mal kurz für ein riesiges Luxus-Feriendorf unterbrochen, so dass man – im Ernst! – für 3 km auf die Schnellstraße ausweichen muss!
In Torre Canne kann man mal die Strandpromenade rauf- und runterpromenieren. Man kann es aber auch lassen. Aber wir sind ja nicht zum promenieren hier, sondern zum Baden, also Schluss jetzt mit dem Gemaule! Der Strand und die Dünen sind nämlich tatsächlich superschön, und das Meer ja sowieso!
Der Torre Guaceto ist, wie der Name schon sagt, ein Turm, und zwar einer der Torri, die die gesamte Küste säumen und in früheren Zeiten der Übermittlung von Nachrichten und natürlich der Wache dienten. Einerseits. Andererseits bezeichnet der Name auch ein Meeres- und Küstenschutzgebiet mit traumhaft schönen Strandabschnitten, Buchten und Dünen und einer Auffangstation für verletzte Meeresschildkröten an der Punta Penna Grossa.
Vom nördlichen Parkplatz aus nimmt man entweder den Shuttlezug oder Schusters Rappen, um zur Küste zu gelangen. Weil wir typisch deutsch sind, haben wir, trotz der Bullenhitze, nicht den Shuttlezug genommen und wurden dafür misstrauisch beäugt: I pazzi tedeschi! Macht aber nichts, so nähern wir uns ganz langsam an etwas an, das vielleicht ein bisschen das Paradies ist. Zumindest für ziemlich verrückte Deutsche an einem ganz banalen Montag Mitte September.
Die Wanderung, die wir uns vorgenommen hatten, entpuppte sich eher als ausgedehnter Strandspaziergang, der streckenweise barfuß getätigt werden kann. Weil wir typisch deutsch sind, fanden wir den Lido so mitten im Naturschutzgebiet etwas irritierend. Der Rest aber: eindeutig Paradies. Übrigens besonders empfehlenswert an einem ganz banalen Montag Mitte September. Dann hat man nämlich das ganze schöne Paradies fast für sich alleine und ist am Ende ganz sommertrunken und überwältigt von der einsamen Weite der Landschaft. Ein Sehnsuchtsort, oder besser ein Sehnsuchtsküstenabschnitt, und unbedingt zu beachten: Badezeug immer an Mann und Frau!