šnyt
Halb Bier, halb Schaum
Pilsen ist ein Bombenziel für Kurzentschlossene und Kurzreisende, für Kultur- und für Bierfreunde. Wir sind das ja alles. Deshalb steigen wir an einem Freitagvormittag in den Zug und geraten direkt in einen Junggesellenabschied auf deren akoholträchtigem Weg nach Prag. Immerhin: die Jungs hatten Mitleid mit uns älteren Herrschaften ohne Sitzplatzreservierung und haben uns ihre Plätze angeboten. Das hat uns ein bisschen verstört, weswegen Didn sich auch gleich noch mit lauwarmem Gin Tonic hat abfüllen lassen. Ich habe dankend abgelehnt und widerspruchslos das Klischee der spaßbremsenden Gattin erfüllt.
In Plzeň oder auf Deutsch Pilsen haben wir kurz in unserer Billigpension eingecheckt und sind dann losgezogen. Die Pension Wallis können wir aber wärmstens empfehlen: Spartanisch eingerichtet, aber riesig und sauber, mit unverfälschtem Original-Retro-Charme, und in der denkbar allerbesten Lage! Die Ampel (nein, nicht DIE Ampel, sondern die andere) steckt uns mit ihrem hektischem Geticke an – hier beim Straße überqueren zu trödeln, widerspräche jedem Rhythmusgefühl! An der Straße liegt direkt eine der kulturellen Hauptattraktionen: die Große Synagoge mit ihrem bunt verzierten Dach (Fertigstellung 1893). Sie ist die drittgrößte Synagoge in Europa und die fünftgrößte der Welt!
Um die andere Ecke unserer Pension herum stoßen wir eher zufällig auf das Neue Theater, das architektonisch bemerkenswert ist, ein bisschen wie ein Emmentaler aussieht und von den Pilsenern auch so genannt wird. Aus Versehen kommen wir auch nachts mal hier vorbei – gut gemacht!
In der Hauptsache sind´wir aber gar nicht wegen dem allem da, sondern: BLIK BLIK! Das Pilsener Lichtkunstfestival feiert dieses Jahr 10. Geburtstag und verspricht ein prallbuntes Lichtermeer. Womit wir doch schon wieder am Meer wären. Und Didn, der alte Lichtjunkie, kommt auch auf seine Kosten.
Hladinka
Klassisches Bier mit Schaumkrone
Neben der Kunst des Bierbrauens punktet Pilsen mit einer wirklich zauberhaften Altstadt. Die ist ziemlich übersichtlich und lässt sich an einem sportlichen halben Tag gut zu Fuß erkunden. In der Altstadtmitte gibt es vor allem den zentralen »Platz der Republik« mit der St. Bartholomäus-Kathedrale zu sehen. Der 102 Meter hohe Turm der Kathedrale ist der höchste der Republik und kann über 299 Stufen bestiegen werden, was auf der engen Treppe bei Gegenverkehr spannend werden kann ;-). Mega Ausblick!
Um den Platz gruppiert sich eine Ansammlung wunderschöner Häuser und sonntags ein kleiner Bauern- (oder Touristen-?)markt. Auf drei Seiten verteilt stehen in Gold die drei Wahrzeichen (und Brunnen!) der Stadt, die auch in ihrem Stadtwappen enthalten sind: der Engel, der Windhund und – Überraschung! – das Kamel, das man in Osteuropa gar nicht so erwartet! Auf der vierten Seite steht vor den roamantischen Fassaden der schmalen Altstadthäuser die Mariensäule, die die Stadtväter zum Dank für das Abklingen der Pest 1681 errichten ließen.
Ein bisschen Grün finden wir am östlichen Altstadtrand, beim Mlýnská strouha. Hier stehen ein paar Bäume um den idyllischen Stadtkanal. Wenn auch die Bezeichnung »Pilsener Venedig« recht hochtrabend und sogar ein bisschen frech sein mag – am Ufer kann man angenehm sitzen oder einkehren. Oder sich vom Poesiomat ein Gedicht aufsagen oder etwas vorsingen lassen. Nach anfänglicher Skepsis und kräftigem Kurbeln legt der Apparat los. Ich bin hingerissen!
Mlíko
Viel Schaum mit wenig Bier
Da die Führungen durch die berühmten Loos-Interieurs ausgebucht sind (woran offenbar ich irgendwie schuld bin), entscheiden wir uns für die historische Pilsen Underground Tour. Die beginnt gleich am Hauptplatz, die kurze Wartezeit überbrücken wir mit dem Biergutschein, den wir mit dem Ticket ausgehändigt bekommen.
Geschäftstüchtig: vom Ticketverkauf geht's durch den Hintereingang direkt in den Bierausschank. Womit wir aber diese Attraktion gleich mit abgearbeitet haben.
Die Tour ist insgesamt enttäuschend. Der Guide spricht ein sehr skurriles Englisch, was zwar der ganzen Unternehmung einen gewissen Witz verleiht, aber auf Dauer auch ermüdend ist. Trotzdem ist es faszinierend, dass die Keller bis zu drei Stockwerke tief in die Erde reichen und überwiegend aus dem 13. Jahrhundert stammen.
Pilsens Altstadt ist von solchen unterirdischen Gängen laut Guide komplett ›unterwandert‹, mit einer Gesamtlänge von 13 Kilometern. Auf unserer Tour erlaufen wir nur 800 Meter des Labyrinths, also einen Bruchteil davon, der aber leider nicht einmal sehr ansprechend oder wenigstens originalgetreu gestaltet ist. Irgendwie sind die hell erleuchteten Ausstellungsvitrinen fehl am Platz, und nur wenige Tunnel versprühen noch mittelalterlich-schaurigen Charme.
Lékárna – Senk a restaurace
Am ersten Abend waren wir beim Italienter, der keiner weiteren Erwähnung wert ist. Viel besser hat uns zur zweiten Einkehr das/die Bar-Restaurant am Hauptplatz in der früheren Apotheke gefallen, also in der früheren Lékárna. Wir hatten Glück und haben von der zackigen und supernetten Servicekraft auch ohne Reservierung einen Tisch bekommen und genug Zeit, um in aller Ruhe schön zu essen und ein Bier zu trinken, bevor wir uns ausgeruht und frohgemut ins BLIK BLIK gestürzt haben.

Didn hatte irgendwas Österreichisch-Tschechisches mit Serviettenknödeln und einer umwerfend guten Soße. Ich hatte Hähnchenbrust mit etwas gesundem Schnickschnack und als Ausgleich und Sattmacher sehr gute Pommes. Der absolute Hammer war aber der gebratene Salat! Insgesamt ein kulinarisches Highlight!