Künstler, Architekt, Lebemann.
Und lanzarotischer Visionär.

César Manrique, geboren am 24.04.1919 in Arrecife auf Lanzarote, hat die Insel mehr als maßgeblich geprägt. Und die Insel ihn.

Nach Ende des spanischen Bürgerkrieges kehrte er zuerst nach Lanzarote zurück, begann aber noch im selben Jahr ein Studium als Architekt und später an der Kunstakademie in Madrid. Schnell wurde er zum Vorreiter der Avantgarde und verzeichnete beachtliche Erfolge – sogar in New York, wo er fünf Jahre lebte.

1966 kehrte er zurück auf ›seine‹ Insel. Dort kämpfte er gegen deren Ausverkauf an den Massentourismus und an in- und ausländische Investoren. Er setzte sich für eine behutsame, traditionelle Architektur ein, um Umwelt und Landschaft und die Schönheit Lanzarotes zu bewahren.

1982 gründete er die Fundación César Manrique, die diese Ziele auch nach seinem Unfalltod 1992 weiterhin verfolgt und sein künstlerisches und menschliches Andenken bewahrt. Heute ist die Stiftung in seinem ehemaligen Wohnhaus beheimatet, dessen Untergeschoss er in fünf natürlichen Lavablasen im Erdgeschoss errichtet hatte. Seine letzten Jahre hat er allerdings im Norden der Insel in Haría verbracht, dem Dorf der 1000 Palmen.

Auf Lanzarote (und auch in meinem Herzen) ist Manrique eine Art Nationalheld. Nicht nur der Flughafen ist nach ihm benannt. Er hat zahlreiche sehenswerte (Bau-)Werke auf der Insel verstreut, die unbedingt mit zu deren Reiz beitragen. Weil sie nämlich mit den Reizen der Insel spielen, sie unterstreichen, sie hervorheben und damit etwas ganz Neues, Einzigartiges schaffen.

Leben in der Lava-Bubble:
früher Wohnhaus, heute Sitz der Fundación

Das ehemalige Wohnhaus mitsamt den Lava-Bubbles lässt sich heute in Tahiche besichtigen und gewährt vielleicht die authentischsten – auf jeden Fall die intimsten – Einblicke, was diesen Mann angetrieben hat. Denn im Ernst: auf die Idee muss man echt erst mal kommen, in Lavablasen sein Haus zu bauen! Wenn frau andererseits dort auf den Schautafeln liest, dass er aus Paris regelmäßig schöne Damen hat einfliegen lassen für seine Parties und Kumpels, bekommt der Umweltaktivist und geniale Künstler irgendwie, na ja, Risse. Aber, um es mit Leonard Cohen zu sagen (ebenfalls einer der Nationalhelden meines Herzens): »There is a crack, a crack in everything. That's how the light gets in …«.

Und die Lava-Bubbles sind einfach, na ja, genial. Aus heutiger Sicht sowieso, weil auch noch retro, aus damaliger Sicht: futuristisch. Einfach genial halt.

Höhlenwandern: Cueva de los Verdes

Die Cueva de los Verdes ist nur am Eingang grün. Dann gibt sie sich vor allem geheimnisvoll und dunkel. Die Cueva ist ein Tunnel oder besser ein komplexes Tunnelsystem mit zahlreichen Hohlräumen (Jameos) und einem ›Ausleger‹ anderthalb Kilometer ins offene Meer hinaus. Der Eingang ist im Prinzip ein Loch im Boden, wo die Decke der Höhle darunter einst eingestürzt ist. Die Höhle ist fast acht Kilometer lang, von denen seit 1964 etwa ein Kilometer im Rahmen einer Führung begangen werden kann. Was aber besonders faszinierend ist: dass die Lavatunnel hier parallel übereinander verlaufen – mit einer Gesamthöhe von bis zu fünfzig Metern! Stellenweise kann man direkt in die nächsthöhere oder -tiefere Etage schauen.

Die Cueva wurde durch raffinierte Lichtinstallationen durch den Künstler und Landschaftsarchitekten Jesús del Carmen Soto Morales, kurz Jesús Soto, perfekt in Szene gesetzt . Jetzt warum taucht Jesús Soto hier auf der Manrique-Seite auf? Weil wohl er es war, der Manrique überhaupt ins Spiel brachte, was die Gestaltung Lanzarotes angeht. Weil er ein Freund und späterer Mitarbeiter Manriques war. Fast könnte man den Eindruck gewinnen, Manrique hätte den Hang zum Vulkanischen von Jesús abgeschaut ... Auf jeden Fall spielt unbedingt auch Jesús Soto in der Liga der Nationalhelden der Herzen.

In die Röhre gucken: Jameos del Agua

Eine Bar, ein Restaurant, ein unterirdischer Konzertsaal. Ein See mit Gezeiten. In riesigen Körben hängen Pflanzen von oben herab. Die Jameos del Agua hat César Manrique 1966 als Ort der Kultur und als Touristenattraktion entworfen. Geschaffen hat er einen mystischen, einen magischen Ort, der sich einer Beschreibung mit Worten entzieht. Nüchtern betrachtet, gehört er zum selben Tunnelsystem wie die Cueva und verschafft einen recht krassen Eindruck davon, welche Lavamassen hier vor rund 4500 Jahren unterwegs waren. Aber: nüchterne Betrachtung wird diesem Platz nicht gerecht, wird hier also erst gar nicht groß versucht ...

Um vom Restaurant in die Bar zu kommen, läuft man einen schmalen Steig am Rande des Sees entlang – einmal durch die Lavaröhre. Der See hat zwar keinen direkten Zugang zum Meer, trotzdem verändert sich sein Wasserstand mit den Gezeiten. In ihm leben endemische kleine weiße Krebse und vielleicht, wer weiß das schon so genau, auch eine Urmel'sche Riesenkrabbe.

Das schwarze Gestein, der düstere See, das Dunkel der Höhle hält uns fest und macht uns still und behutsam. Eine schwarze Steintreppe führt aus dem Dunkel nach oben, wieder hinauf und hinaus ans helle Sonnenlicht. Dort wartet mit sanften Rundungen und in gleißendem Weiß und Türkis ein Pool, in den man unbedingt sofort eintauchen möchte. Noch eine Treppe höher wartet das Meer.

Nicht anfassen: Jardín de Cactus

Mit dem Kaktusgarten hat Manrique noch einmal bewiesen, welch ein Visionär er war: die 5000 Quadratmeter große aufgelassene Fördergrube für Lapilli (Steinmulch) am Ortsrand von Guatiza, das auch über den Grubenrand spitzeln darf, wurde zuvor als Müllgrube benutzt. César Manrique und Jesús Soto haben daraus einen traumhaft schönen, terrassenförmig angelegten Garten gemacht. Für explizite Kakteenliebhaber/-innen und solche, die es im Jardín ganz spontan werden.

Der Jardín de Cactus empfängt seine Besucher/-innen mit einem riesigen Metallkaktus auf dem Parkplatz – was ein bisschen befremdlich sein mag. Das ist aber vergessen, sobald man ins Innere gelangt. Optisch dominiert wird der Garten von einer liebevoll restaurierten Gofio-Mühle (Gofio ist geröstetes Getreidemehl, das schon die Guanchen, die kanarischen Ureinwohner, gegessen haben), zu der man hochsteigen kann und von dort einen fantastischen Blick über den ganzen Garten genießt!

Und noch ein paar Portraits unserer stacheligen Freunde:

Im Norden und hoch: El Mirador del Rio

Auf der Steilküste Risco de Famara, in 475 Metern Höhe, hat Manrique mit dem Mirador del Rio seine Grundidee in faszinierend schlichter Perfektion umgesetzt: die Landschaft möglichst wenig zu verändern und trotzdem ihre Schönheit zu offenbaren und zu akzentuieren. Er hat das dreistöckige Bauwerk in einen früheren Kanonenstützpunkt in die Festungsanlage Batería del Rio gepflanzt und dafür einen Felsen aushöhlen lassen. Danach wurde es mit Vulkangestein ›getarnt‹ und ist von außen tatsächlich fast nicht zu sehen. Allein die Architektur, mit ihren schmeichelnden geschwungenen Formen, den natürlichen Materialien und dem strahlenden Kalkweiß der Kanaren, ist einfach grandios. Man möchte die Hand auf alles legen, den Rundungen nachspüren, die Oberflächen streicheln ...

Form f ... Funktion

Oder man lässt den Blick in die Ferne schweifen, durch das Panoramafenster der Bar oder von einer der beiden Aussichtplattformen aus, hinüber nach La Graciosa und den Inselchen des Chinijo-Archipels oder hinunter auf die aufgelassene Saline von El Rio, entlang der Abbruchkante der Steilküste bis nach Caleta de Famara oder auf das kräftige Türkis der Meerenge zwischen den Inseln, auf der die Fähre bedenklich schaukelt und hüpft.

Lanzarote ohne Manrique ist nicht denkbar, und umgekehrt war es wohl genauso. Hier umgarnen sich Kunst und Natur in einem berückend schönen, filigranen Tanz. Wir Schönheitstrunkenen sind dankbar und demütig und voller Staunen, für die Kunst und die Künstler ebenso wie für die Naturgewalten, die uns solche Landschaft bescheren.