In der Nussschale ...
In aller Frühe ging die Seereise ab dem Neuen Hafen in Santoríni los. Dorthin haben wir uns per Transfer bringen lassen – hat zuverlässig geklappt und spart, im Vergleich zum Bus, deutlich Zeit und Nerven. Am Hafen war es verdächtig ruhig. Außer einem Paar aus Maryland, mit denen wir ein bisschen ins Gespräch gekommen sind, war praktisch niemand vor Ort.
Man ist ja schon immer ein bisschen gespannt beim Warten, wie das Schiff aussieht, wie es heißt und ob es überhaupt kommt. Als wir so standen, kamen zwei Schiffe: ein sehr großes und ein wirklich sehr sehr kleines. Schnell war klar, dass wir nicht mit dem sehr großen Schiff fahren würden. Wir würden die Nussschale nehmen. Dafür war die Überfahrt richtig günstig und wir bekamen einen ganz unmittelbaren Bezug zur Welle als solcher. Übrigens hatte es viele und viele beeindruckend hohe Wellen. Das kommt hier wohl gar nicht so selten vor, weshalb öfter selbst größere Schiffe gar nicht auslaufen.
Zum Glück habe ich einen recht seegangresistenten Magen. Andere auf dem Boot, etwa die Dame aus Maryland, nicht. Sie hat die Überfahrt auf der Bootstoilette verbracht – eine wenig angenehme Erfahrung, wie die Geräusche vermuten ließen ...
Kurzer Zwischenstopp auf Ios, allerdings ohne Aufenthalt.
Und dann, als ich darüber nachdenke, ob mir auch schlecht werden soll, landen wir auf Folegándros an, für das wir rund drei Stunden Zeit haben.
... nach Folegándros – Chill Island ...
In Folegándros habe ich mich schwer verliebt, kaum hatten wir beide Füße auf den Anleger gesetzt. Man kommt hier in einer wunderschönen Hafenbucht an, um die ein paar Häuser herumstehen. Die Hügel sind karstig und karg, das Wasser ist lichtblau und duchsichtig. Sonnige Gelassenheit liegt in der Luft. Der Bus in die Chóra, dem Hauptort der Insel, ist gerade weg, offenbar sieht man hier keine Veranlassung, auf etwaige Fährenankömmlinge zu warten.
Also geben wir unser Gepäck am Hafen (der eigentlich ein Häfchen ist) ab und gehen erst einmal einen Cappuccino trinken. Den besten übrigens, den wir bisher auf dieser Reise bekommen haben. Dann machen wir uns zu Fuß auf den Weg in die Chóra, ein strammer Marsch von einer guten halben schattenlosen Stunde an der Straße entlang, durch diese völlig abgefahrene Landschaft!
Folegándros zählt gerade mal rund 600 Einwohner, 32 Quadratkilometer und eine Asphaltstraße. Trinkwasser gibt es nur aus einer Entsalzungsanlage und ist also immer Mangelware. Die Chóra, der Hauptort der Insel, liegt wirklich atemberaubend an einer sich 150 Meter senkrecht hinabstürzenden Felswand. Fast ganz oben auf dem Sattel sitzt die Panagía-Kirche, zu der sich ein gepflasterter Weg hochschlängelt. Obwohl wir nur ein kleines Stück hochgehen, hat man von hier den vollen Panoramablick über die Insel!
Dem Zauber der Chóra und insbesondere deren ältestem Kástro-Viertel erliegen wir allerdings ebenfalls sofort. Das Kástro findet man, wenn man das kleine Schild am Dorfplatz nicht übersieht und ihm durch einen Durchgang folgt: weiße Häuschen mit romantischen Außentreppen, kleine Balkone und Passagen, und überall dieses liebevoll verlegte plastisch-grafische Straßenpflaster! Auch der Rest des kleinen Dorfes ist einfach nur wunderschön.
Der Tourismus hat die Insel noch nicht völlig überrannt, wie andernorts, vermutlich weil die Traumstrände fehlen. Wir lesen aber im Reiseführer, dass gerade die Individualtouris, die das Authentische suchen, Folegándros für sich entdeckt haben. Na ja, denen wird es so gehen wie uns auch ...
Zurück am Hafen (diesmal per Bus) und beim zweiten Cappuccino des Tages tut sich plötzlich was: zahlreiche Menschen hummeln herum und verladen Dinge auf Boote. Der Wirt leistet – in bestem Englisch – Aufklärung: gerade endet ein Programm der EU, mit dem Ärzt/-innen vom Festland jährlich auch die kleinen Inseln abklappern und dort aufsuchende medizinische Hilfe leisten. Gerade für die Älteren ein unverzichtbarer Service. Und es sieht so aus, als hätten die Ärzt/-innen einen Riesenspaß dabei! Zum Abschied wird viel umarmt und gewunken und sogar ein Leuchtfeuer entzündet. Die Boote mit den Mediziner/-innen an Bord jagen im Gegenzug highspeed durchs Wasser und heben die Schnauzen zum Gruß: Αντίο, bis nächstes Jahr!
Und auch wir müssen hier weg, schweren Herzens. Wir holen unser Gepäck und warten auf unser nächstes Schiff, das uns zur Insel Mílos bringen soll und das sich als krasses Gegenteil unserer süßen kleinen Nussschale entpuppt. Wir landen auf einer Superschnellfähre, die nicht mal ein Außendeck hat und sich scheinbar um den Seegang keine Gedanken machen muss. Trotzdem: sogar hier schwankt der arme Bar-Mann bisweilen ganz erheblich herum, und seine Gläser schwanken mit. Wir machen die Augen zu und träumen uns ein bisschen zurück nach Folegándros ... Αντίο, bis bald!