Gegensätze ziehen uns an
Nur fünf Übernachtungen hatten wir auf Santoríni gebucht und für die Kürze der Zeit ein ehrgeiziges Programm abzuarbeiten. Ein Mietwagen ist sehr zu empfehlen, damit man sich autark bewegen kann. Absolutes Mega-Highlight ist und bleibt natürlich der Kraterrand, die Caldera, die einfach total irre ist, wahnsinnige Aus- und Runterblicke bietet und sich deshalb hier ein eigenes Kapitel redlich verdient hat. Sobald man dem Kraterrand den Rücken kehrt, zeigt sich ein ganz anderes, weniger aufregendes Bild der Insel. Andererseits ist Santoríni ohne Caldera natürlich gar nicht denkbar, und am Ende dreht sich ohnehin alles nur um sie.
Santoríni ist der Prototyp einer Vulkaninsel, wenn man so will. Die Caldera, auf der wir herumflanieren und -wohnen und den Abgrund bestaunen, ist ja nichts anderes als der Vulkankrater: oben die Abbruchkante, unten das Kraterbecken, in dem die Kreuzfahrtschiffe herumfahren – zum Ankern ist es mit 400 Metern zu tief. Vulkanisch gesehen ist die Gegend übrigens alles andere als ruhig. Die Vulkanologen rechnen mit weiteren Ausbrüchen in der Caldera, Richtung Oía. Zum letzten großen Ausbruch kam es im Jahre 1650, aber auch in den 1950ern zeigte der Vulkan, dass er noch am Leben ist.
Der Profítis Ilias | Προϕήτης Ηλίας, 565 m über dem ägäischen Meeresspiegel
Am ersten Tag nach unserer Ankunft hatten wir noch traumhaftes Wetter und haben das zum Glück gleich mal genutzt, um auf den höchsten Berg der Insel zu rennen: den Profíti Ilía. Auf dem Gipfel finden sich ein Kloster gleichen Namens mit mega Blick ins Blaue und eine Wetterstation, unterhalb derer ein schöner Wanderweg zur Ausgrabungsstätte von Alt-Thíra (gegründet ca. um 1.000 v. Chr.) mit den Überresten von Theater (alte Steine) und Tempel (alte Steine) führt.
Zwischen den Boden- und Badestationen Kamári und Períssa spektakulär auf einem Hügel dazwischen gelegen, hat Alt-Thíra wohl einen fantastischen Ausblick. Es ist aber zu empfehlen, rechtzeitig vor Schließung da zu sein, damit sie einen noch reinlassen. Ihr ahnt es: uns haben sie nicht reingelassen. Deshalb haben wir nur eine kurze Rast gemacht und sind dann direkt wieder den Berg hochgespurtet, den wir gerade heruntergekraxelt waren. Aber kein Grund zur Klage: das war eine superschöne Tour, und so ganz schlecht war unser Ausblick auch nicht!
Pýrgos | Πύργος
Pýrgos liegt dem Profíti Ilía zu Füßen und ist trotzdem nicht nur das am höchsten gelegene, sondern auch das älteste bewohnte Dorf Santorínis. Die ehemalige Inselhauptstadt zählt eindeutig zu den bezauberndsten Dörfern der Insel. Fast könnte man meinen, Pýrgos hätte eine Art Patent auf das Weiß-Blaue. Aber bitte zu beachten: es handelt sich natürlich nicht um irgendein Blau. Es muss schon das verwaschene, dunstige, ausgefranste Blau des Meeres sein, das sich am Horizont im unbestimmten Blau des Himmels verliert. In das man einfach hineinfallen möchte. Das süchtig macht. Pýrgos kann dieses Blau, in den Haustüren und Schatten und hinter den Dächern ...
Am besten strawanzt man einfach ein bisschen durch die Gassen und um die Häuser und treibt sich ein bisschen auf dem Platz um die Kirche und am Vista Point beim Kastéli, dem venezianischen Kastro, herum.
Türme und Strände
Der Faro Akrotíri | Ακρωτήρι und das weltberühmte Alt-Akrotíri
Im äußersten Südwesten von Santoríni stehen der Akrotíri Leuchtturm und ihm vorgelagert einige pittoreske Klippen über dem Meer. Dort saßen mindestens genauso pittoresk die beiden Teile eines Paares. Alle zusammen (also Turm, Klippen und Meer, das Paar hat hoffentlich zwischenzeitlich aufgegeben) sind einen Besuch wert, vor allem wenn man dabei noch (entgegen dem bisherigen Farbkonzept!!!) den Black und den Red Beach ›mitnehmen‹ kann.
Wer die Caldera kurz aus dem Blick und das Vulkanische an Santoríni kurz aus dem Bewusstsein verloren hat, dem oder der fällt es bestimmt an den beiden farbintensiven Beaches an der Südseite der Insel wieder ein. Dazwischen gibt es tatsächlich noch einen White Beach, den wir aber ausgelassen haben. Der sieht toll aus, kann aber bestimmt den auf Mílos nicht toppen!
Zwei Kilometer entfernt liegt die Ausgabungsstätte von Akrotíri. Erst 1967 wurde die Stadt entdeckt, die seit dem verheerenden Vulkanausbruch um 1600 v. Chr. vollständig unter einer bis zu 60 Meter (!) dicken Bimssteinschicht begraben wurde und seitdem Stück für Stück ans Tageslicht geholt wird. Dabei zeigt sich mitnichten ein simples Bauerndorf, sondern vielmehr eine blühende und reiche Handelsstadt mit mehrstöckigen Häusern, wunderbaren Fresken und einer funktionierenden Kanalisation! Doch auch die Fülle von Alltagsgegenständen, Möbeln und sogar Speiseresten haben eine Menge über das Leben dazumal zu erzählen. Daher gilt Akrotíri als eine der wichtigsten archäologischen Stätten Europas – das »Pompeji der Ägäis«.
Black Beach | Μαύρη Παραλία
Der Black Beach besticht durch eine recht abenteuerliche Anfahrt durch karges Land und einen Strand voll glattgeschliffer runder schwarzer Steine, die man unbedingt alle anfassen will. In die Tuffstein-Steilküste sind Bootsgaragen eingegraben worden, und eine dieser neuen Edel-Bars arbeitet hart daran, das Schwarze und das Stille abzuschaffen, was ihr in der Hauptsaison sicherlich auch gelingt. Dann kann man auch in einer Taverna direkt am Strand essen. Jetzt aber hat alles geschlossen und wir haben Strand, Steine und Stille fast für uns allein.
Red Beach | Κόκκινη Παραλία
Der Red Beach ist im Gegensatz zum Black Beach touristisch hoch erschlossen, an der Zufahrtsstraße haben sich bereits einige Souvenirstände, Lokale und eine Kirche angesiedelt. Auch wir kehren ein, essen im »The Dolphins« das erste Mal Kapernblätter (mehr davon!!!) und lieben ansonsten einfach den Meerwert des Lokals ...
Und ach so, ja, der Red Beach ist auch ganz nett ;-). Nett und offenbar lebensgefährlich, weil immer wieder Teile der Felswand abbrechen und nach unten stürzen ... Na dann, wir drücken all jenen die Daumen, die trotzdem dort beachen gehen!
Wir begnügen uns mit dem Blick von der anderen Seite auf den Strand, der seinen Namen völlig zu Recht trägt und einen überwältigenden Anblick bietet. Und ja, es erscheint durchaus wahrscheinlich, dass hier noch mehr rote Steine nach unten kullern. Also bleiben wir einfach, wo wir sind, und sind auch ganz zufrieden damit :-).
Die Straße der Windmühlen
Windmühlen gehören ganz fest zu den griechischen Inseln und dürfen also auch auf Santoríni nicht fehlen. Berühmt ist natürlich die Skyline von Oía mit ihren Windmühlen. Doch auch über Emporió, das unweit von Pýrgos im Schatten des Profíti Ilía liegt, gibt es eine Straße, die von acht teils restaurierten, teils verfallenen Mühlen gesäumt wird. Bei schönerem Wetter sicher recht fotogen ...
Der Kraterrandweg
Berühmt und ein Muss ist der Kraterrandweg. Er beginnt praktisch mitten in Firá und führt circa zehn Kilometer weit über die Orte, die oben an der Caldera kleben, bis nach Oía. Kein Flipflop-Trail, trotzdem nicht besonders anspruchsvoll oder anstrengend. Ein bisschen rauf und runter ist allerdings schon dabei. Bei Hitze unbedingt an ausreichend Sonnenschutz und Wasser denken: es gibt praktisch keinen Schatten.
In Imerovígli empfiehlt sich ein kurzer, aber steiler Abstecher zur Burgruine des venezianischen Kástro, das dem vorgelagerten Felsen Skáros auf dem sehr markanten Kopf sitzt. Auch hier droht Gefahr durch Steinschlag. Auch hier interessiert das niemanden ernsthaft, und sogar wir wagen uns auf den Vorspung hinaus und werden mit einem fantastischen Blick belohnt! Auf der Seite zum Meer hin kann man zu einem Kirchlein laufen, was wir leider erst viel später beim Blick zurück entdeckt haben. Dann beim nächsten Mal!
Auf dem Kraterrandweg spüren wir am Eindrucksvollsten, dass wir auf einer teils recht schmalen Vulkankraterrandkante und auf einer Insel herumlaufen, die von oben wie ein κρουασάν (Croissant, Cornetto, Hörnchen) aussieht. Sehr sehr sehr tief unten schimmert das Meer – auf beiden Seiten!
Obwohl uns Zeus als griechischer Schlechtwettergott nicht ganz so wohlgesonnen war und sich der Himmel zwischenzeitlich recht bedrohlich gab, war die Wanderung eines der Highlights unseres Santoríni-Aufenthalts. Umwerfende Ausblicke in die Caldera und auf der anderen Seite auf das offene ägäische Meer hinaus, mystische Felsen und vulkanische Erde, himmelblaufarbige Klohäuschen und ein Kirchenwächter, der mich an der Hand nimmt und mir ein Geheimnis verrät. Und ja genau – immer wieder mal eine strahlend weiße Kirche am Wegesrand, weil: Kirchle geht ja immer!
Mit diesen tiefen Eindrücken wandern wir nach Oía hinein und haben damit nach dem Faro nun auch das andere Kipferl der Insel erreicht.