Ortswechsel
Von Gytheio und unserer Traumwohnung haben wir uns wirklich sehr schweren Herzens verabschiedet. Aber hülft ja nix. Passend zur wehmütigen Stimmung hat es zugewölkt und später zu regnen angefangen. Wir sind von Areópoli diesmal nach Norden gefahren, Ziel: Agios Nikolaos. Das ist ein ganz hübsches Fischerörtchen mit einem recht übersichtlichen Hafen, um den herum sich die wenigen Häuser drängeln. Drängeln vor allem deshalb, weil hier sehr viele Tavernen und Pizzerien und Cafés um (noch) gar nicht so viele Touris werben, von denen die allermeisten Deutsche sind. Wir haben noch Zeit totzuschlagen, bis wir in unsere Ferienwohnung einchecken können, und landen bei Pancakes und Toasti. Hm.
Hm ist dann auch die Ferienwohnung, die dunkel und rustikal und zwar blitzesauber, aber zugleich teilweise ziemlich abgewohnt ist. Der Ferienwohnungsbesitzer sitzt die ganze Zeit vor dem Haus und hofft auf ein Gespräch oder ein Glas Wein mit uns. Er scheint vor allem tödlich gelangweilt zu sein, wofür wir aber nicht zuständig sind und schon gar nicht sein wollen (grusel!!!). Ich glaube, er und seine Schwester schauen heimlich bei uns rein, wenn wir weg sind (grusel grusel!!!!!).
Dafür, sozusagen als Entschädigung, haben wir die Füße im Meer ...
Agios Nikolaos scheint irgendwie ein Hotspot für Deutsche zu sein, die gerade dem Sirtaki-Tanzkurs entsprungen sind und ihre echt griechischen Seelen feiern, indem sie das Erlernte mit exaltiertem Gestus und einer gewissen Lautstärke direkt vor, während und nach dem Essengehen auf Straßen und in Tavernen zur Anwendung bringen.
Und ja, weiß ich, dass das fies und überheblich ist. Aber die Show war wirklich gewöhnungsbedürftig und hat uns den Ort – der ja eigentlich nichts dafür kann – nicht näher gebracht. Zumal in allen ›urigen‹ Lokalen mit Livemusik geworben wird, um genau diese Klientel anzulocken (also doch was dafür?). Jedenfalls kein Pflaster für uns ...
Natürlich kann Agios Nikolaos auch was. Zum Beispiel, wenn man ein paar Minuten am Meer entlang Richtung Süden spaziert, zweifarbig türkises Meer hinter Tamarisken, die einen zu einem wunderbaren Nachmittag am Strand einladen. Oder extra Blaue Stunde im stimmungsvoll beleuchteten Hafen. Und natürlich, mit ein bisschen Glück, den ultimativen Post-Sonnenuntergangs-Himmel, bevor es plötzlich gar nicht mehr laut und schrill ist, sondern still und dunkel und fast schon ein bisschen verwunschen ...

Spazierwanderung nach Stoupa
Noch am Ankunftstag und um dem Vermieter zu entfliehen, erkunden wir zu Fuß unser kleines Dorf und entdecken dabei einen Spazier- und Radweg, der immer schön am Meer entlang zum Nachbarort Stoupa führt. Plötzlich kommt auch die Sonne wieder raus. Der Spaziergang entpuppt sich eher als Wanderung, auf die wir schuhtechnisch keinesfalls vorbereitet sind, die aber superschön ist!
Stoupa ist ein Badeort, der aber auch nicht versucht, etwas anderes zu sein. Und der definitiv sehr viel gechillten Charme hat, einen tollen Strand und – wenigstens, solange wir dort sind – keine tanzenden älteren deutschen Damen. Sehr ehrlich, sehr sympathisch. In Stoupa hat übrigens der griechische Schriftsteller Nikos Kazantzakis seinen weltberühmten Roman »Zorba The Creek« geschrieben, mit dem er seinem Freund und Bergwerks-Vorarbeiter Georgios Zorbas ein unvergleichliches Denkmal gesetzt hat. Das echte Bergwerk, zuhause oben am Berg in Prastova, war – wie sein Filmbruder – ein eher ruinöses Unterfangen und wurde von Kazantzakis 1916 nach nur einem Jahr aufgegeben. Das Leitmotiv des Romans: »Das Leben lieben und den Tod nicht fürchten!« gilt bis heute.
Wieder zurück, tun uns doch ganz schön die armen Füße weh. Das hält uns aber nicht davon ab, uns mit einem Mäuerle-Bier und einem Mäuerle zu versorgen und der Sonne zuzusehen, wie sie hier eben nicht im Meer versinkt. Macht nichts, schön ist es trotzdem!
Look, slow, lunch
Eines der Urlaubshighlights war unbedingt die Wanderung ab Ferienwohnung nach Trahila. Trahila klingt ähnlich wie Vokuhila, ist aber ehrlich viel schöner! Die Strecke ist traumhaft, am Pantazi-Strand vorbei und durch den Weiler Agios Dimitrios, in dem man es schon auch aushalten könnte. Dann auf der einzigen Straße nach Trahila den Hügel hoch, unten das Meer und im Rücken die Steilwand. Die Straße ist klein und hauptsächlich von Radelnden befahren und führt uns sehr bequem und ein bisschen rauf und runter und immer am Meer entlang nach Süden. Bemerkenswert ist, dass sie eine Stichstraße und also eine Sackgasse (»Slow«) ist. Bedenklich ist, dass die Sonne wie verrückt auf unsere Köpfe und Schultern brennt. Ich vermisse meinen albernen Sonnenhut.
In Trahila herrscht eine irgendwie unwirkliche, fast schon entrückte Stimmung. Das muss wohl daran liegen, dass es ein Paradies ist, ein Spinnenparadies (Wind! Beute!) und ein Menschenparadies am Ende der Straße.
Mit einer wirklich urigen Taverne über dem Hafen mit Blick und ein paar guten Mezedes auf der Karte. Natürlich gibt es auch hier ein hungriges Katzenvolk, das die Fischköpfe abbekommt, zur eher verhaltenen Freude des Wirts. Dieser wiederum ist ganz unverhalten entsetzt, dass wir zu seinem Paradies gewandert sind – »by feet!!!!«, sieben Kilometer hin!
Und sieben Kilometer zurück: Das Meer tost von tief unten und, auf der anderen Straßenseite, von hoch oben, wenn die Höhlen und senkrechten Felswände das Meeresrauschen als Echo zurückwerfen. Am Kirchlein machen wir eine kurze Sonnenpause, am Strand eine Kieselhorchpause: große Kiesel poltern, kleinere Kiesel klackern, ganz kleine Kiesel prasseln, wenn sie in die Brandung geraten. Das Wasser leuchtet in zweierlei Türkisblau. Abends büßen wir mit einem mittelschweren Sonnenbrand (trotz eingecremt!) und einem leichten Sonnenstich.
Sunset in Kardamili
Kardamili befindet sich zwei oder drei Dörfer nördlich von Agios Nikolaos. Für eine echte Erkundung fehlt uns die Zeit, aber es reicht für einen märchenhaften Sonnenuntergang. Kardamili ist super malerisch gelegen, wie überhaupt die ganze Küste hier rraumhaft schön ist. Der Hafen schmiegt sich in eine kleine Bucht, ein paar Fischerboote schaukeln umeinander.
Unten am Wasser erwarten uns eine zauberhafte Altstadt und einige Sunset-Locations, die genaut den richtigen Vibe treffen aus modern, stylish und romantisch. Wir sitzen direkt über den plätschernden Wellen, nippen am Gin Tonic und winken der Sonne zum Abschied, die den Himmel kräftig orangerot färbt, bevor sie hinter dem nächsten Hügel untergeht.