Das südliche Ende der salentinischen Welt

Ausflug in den Süden des Südens, sozusagen, von Porto Badisco an das südlichste Ende des Salento und des Stiefels Absatz, nach Santa Maria di Leuca. Das sind nur rund 35 km, die aber so beeindruckend waren, dass wir den ganzen Tag unterwegs waren und dann nochmal hingefahren sind.

Die Küstenstraße SP 358 braucht sich nur ein bisschen hinter der Almafitana zu verstecken, hat aber den Vorteil, dass sie breiter und also auch für uns Nordmenschen befahrbar ist. Eine Litoranea, wie sie sein soll, kurvig und wild und immer kurz vor dem Absturz ins Meer, und für mich an diesem Tag eine der drei schönsten, die ich kenne.

Santa Cesarea Terme

Erstes Etappenziel ist der alt-gediegene Kurort Santa Cesarea Terme. Auf den ersten Blick ein Ort mit seltsam angestaubtem Charme und vermutlich dem ersten Infinity Pool der Welt (bzw. dessen Urahn): ein Schwefelbad direkt über dem Meer, das auch ohne ärztliches Attest zugänglich ist. Aber bei gefühlt 35 Grad und etwa 80 % Luftfeuchtigkeit will man gar nicht soooo dringend in ein Schwefelbad. Vielleicht lag das Angestaubte auch mit am schwül-schwiemeligen Wetter, und auf den zweiten Blick hat der Ort dann doch ein paar Charmepunkte gemacht.

Die Skyline wird dominiert von der orientalisch anmutenden orangefarbenen Kuppel der Villa Sticchi, die sich bei unserem Besuch hinter dicken Baugerüsten versteckt hat. Der Ursprung der heilenden Quellen wird übrigens einer Familientragödie angedingst, was natürlich – schließlich sind wir in Süditalien! – alljährlich mit einer ordentlichen Prozession begangen wird. Und natürlich gibt es hier auch diese ganzjährige Weihnachtsdekoration, die wahrscheinlich gar nicht für Weihnachten ist, sondern für alle anderen Festivitäten für Heilige, Fische, Oliven, das Meer, den Schwefel, und was halt hier so gefeiert werden muss.

Bagno Marino Archi

M.C. Escher war offenbar auch in Santa Cesarea aktiv und hat dortsein Meisterstück abgeliefert: Das Bagno Marino Archi, ehemaliger Steinbruch, heute öffentlicher Badebetrieb, Naturhafen, irgendwas Historisches, ein (nur in der Nachsaison) ausrangierter Pool knapp über dem Meeresspiegel. Treppen und Treppchen, rauf und runter, hin und her und kreuz und quer. Eine surreale und dabei überraschend beglückende Location von morbidem Charme, die zur Nachsaison geschlossen hatte und gerade abgebaut wurde, aber in der Saison wohl zu den besten und angesagtesten Adressen an diesem Küstenabschnitt zählt. Voll krass!

Porto Miggiano

Stattdessen sind wir, über recht abenteuerliche »1000 Stufen«, an den Strand abgestiegen, der winzig und feinkieselig zwischen senkrecht aufsteigenden Felswänden liegt. Auf den Klippen unten hat man mittels Betonplatten zusätzliche Liegeflächen geschaffen, was irgendwie schräg ist und in der Hochsaison wahrscheinlich gruselig. Die Küste zeigt sich scharfkantig und zerklüftet, aber der Sprung ins superklare Wasser ist einfach herrlich!

Der Hafen von Santa Cesarea Terme ist ziemlich, na ja, übersichtlich. Mehr als eine Handvoll Boote passen hier nicht rein, und das dürfen dann keine großen Boote sein. Beeindruckt sind wir allerdings von der Lage tief unten unter dem Parkplatz, neben dem auf einem Hochplateau einer der handelsüblichen Torri steht und ein Lokal, in das wir hätten einkehren sollen. Einfach weil es so wehmutsumweht dort oben stand ...

Castro Porto e Castro Vecchio

Castro hat nicht so Strand, aber dafür Hafen und ist auf diesem Teil der Küste einer der Hauptumschlagsplätze für Gite in barchi, also Bootsausflüge. Leider aber nicht mehr Mitte September, da reichen die Touris nicht mehr aus, um die Boote voll zu kriegen. Che peccato!, das hätten wir echt gerne gemacht, um uns einen Teil der Küste mal von meerseits anzusehen. Stattdessen sehen wir uns den kleinen Hafen an, der knapp 100 Höhenmeter unter dem mittelalterlichen Castro Superiore liegt, dem oberen Castro also. Vom großen öffentlichen Parkplatz (auf der Zwischenetage zwischen super- und inferiore) führt ein netter Fußweg durch die Gassen hinunter.

Wir empfehlen einen Snack in der extrem sympathischen Hafenbar mit ihrer extrem sympathischen Wirtin und guter Musik. Leider haben sie das Meer hinter der Hafenmole versteckt. Aber man weiß ja, wo es sich aufhält ;-). Was immer geht: Boote gucken. Und manche gucken auch zurück.

Zwei Tage später und bei viel blauerem Himmel sind wir nochmal vor Ort und steuern diesmal direkt nach Superiore. Castro Vecchio, so haben wir gelesen, sei eher ein Museumsdorf, also schön, aber nicht besonders lebendig. Zuerst landen wir am Belvedere, einem super pittoresken und nicht sehr lebendigem Platz hinter dem aragonesischen und gut erhaltenen Castello mit seinen markanten Türmen, in dem auch das archäologische Museum untergebracht ist. Auf der anderen Seite öffnet sich der Platz zum Meer hin und bietet einen wirklich umwerfenden Ausblick. Vom Belvedere startet auch der Spazierweg, außen entlang der Stadtmauer.

Wir dagegen bleiben oben und wenden uns zur Piazza Vittoria, dem zentralen Hauptplatz der Altstadt. Der wird, wie es sich in Italien gehört, von einer Kirche dominiert.

Danach schlendern wir einfach umher, landen eher zufällig noch an einem anderen schönen Aussichtspunkt und treiben ein bisschen in den abenderleuchteten Altstadtgassen herum ...

Tricase Porto oder Porto Tricase?

G-Maps führt mal vorsichthalber beides auf, und ist ja auch völlig egal. Der Porto gehört, wie so oft, zu einem Ort, der ein paar Kilometer im Landesinneren liegt und, wenig überraschend, Tricase heißt. Tricase haben wir nicht besucht, und sein Hafen gibt sich recht beschaulich und menschenscheu. Eine rosafarbene Villa im Orient-Style sticht ins Auge: die Villa dell'Abate, hinter der sich der winzig kleine und entzückende Stadtstrand versteckt. Ansonsten schaukeln ein paar Boote gemächlich im geschützten Hafenbecken, wir nehmen einen Drink in der Hafenbar, entdecken die Langsamkeit und drücken dem Angler die Daumen, dass etwas beißt.

Fiordo del Ciolo

Der Fiordo hat sich eine tiefe Schlucht in den steilen Fels gegraben, von deren hinterem Ende man schöne Wandertouren unternehmen kann. Wir stellen das Auto oben vor der Brücke ab, über die unsere Litoranea führt und die hoch über die Schlucht gespannt ist. Viele Stufen führen hinunter zu einem kleinen Strand, der ziemlich spektakulär in eine senkrechte Steinwelt eingebettet ist.

Hinter der Brücke gibt es eine Höhle, in der angeblich Krähen wohnen und in die man hineinschwimmen kann. Unter der Brücke gibt es jugendliche Poser, die sich von den Klippen nach unten ins Wasser stürzen und sich dabei von ihren Kumpels fotografieren lassen. Wir hoffen auf allerseitiges Überleben, auch der Krähen, und stürzen uns nirgendwohin.

Mit so einer wilden, grandiosen Landschaft hatten wir hier gar nicht gerechnet. Eigentlich ist ein Bad an so einem Ort ein absolutes Muss, aber irgendwie zieht es uns nicht so richtig. Wahrscheinlich sind zu viele Poser da. Wir bleiben lieber angezogen, gucken noch ein bisschen und machen uns dann sehr beeindruckt wieder nach oben und an die letzten Meter bis Santa Maria di Leuca.

Santa Maria di Leuca

Santa Maria ist natürlich ein Muss für alle Salento-Reisenden. Keineswegs, weil der Ort so lohnend wäre. Sondern weil sich hier der südlichste Punkt des Salento, das Ende der Welt, befindet. Weil hier zwei Meere, ohne daraus irgendein Aufhebens zu machen, aufeinandertreffen und sich rauschend vereinen. Weil der Mensch genau hier eine Wallfahrtskirche errichtet hat, in direkter Nachbarschaft zum großen Bruder unseres Leuchtturms in Porto Badisco am östlichsten Punkt Italiens.

Weil uns hier die harte Erkenntnis trifft, dass die dunkle und die andere Seite der Macht doch nur zwei Blickrichtungen durch ein und dasselbe, hm ja, Fernrohr sind.

»Vader, ich räum noch schnell die Erde auf«

Santuario Santa Maria di Leuca – Pilgerort No. 1

Ein Wallfahrtsort mit den üblichen Ingredienzien: eine deprimierende Reihe von Ständen mit religiösen Abscheulichkeiten billigster und vermutlich chinesischer Machart. Ein Laden vor der Kirche mit hochpreisigen religiösen Geschmacklosigkeiten. Es ist fast nichts los, das Wetter ist trübe, die Stimmung trist. Der arme kleine Jesus, den Papa Ratzi (ja, wissen wir, total bescheuertes Wortspiel!) an einem Kreuz mit sich herumträgt, tut uns leid. Der Papst tut uns aber irgendwie auch leid.

Taucher können die Madonna dei Due Mari »sott'aqua« besuchen. Die wunderschöne Statue scheint – fest am Meeresboden verankert und von Fischen umschwärmt – entrückt der Welt der Menschen den Blick nach innen gerichtet zu haben.

Punta Ristola – Pilgerort No. 2

Der Pilgerort für unsereine/n ist die Punta Ristola. Hier ist er nämlich, der südlichste Punkt, auf einem mäßig attraktiven Felsvorsprung, der wie der gesamte Küstenstrich hier, von zahlreichen Grotten unterhöhlt ist, die sich selbstverständlich per Boot und teils sogar zu Fuß erkunden lassen. Ob sich das lohnt, können wir leider nicht beurteilen.

Kurz versucht die Sonne, sich gegen die grauen Regenwolken durchzusetzen, gibt aber schnell wieder auf. Wir sind, um ehrlich zu sein, etwas enttäuscht. Es will sich bei uns keine Erhabenheit ob der besonderen Örtllichkeit einstellen, vielleicht wegen des traurigen Wetters, vielleicht, weil wir schon an schöneren Enden der Welt gewesen sind.

Grotta Zinzulusa

Die Grotta liegt gerade mal etwas über zwei Kilometer südlich von Porto Miggiano und kann besichtigt werden, weil sie archäologisch wohl nur so mittelinteressant ist. Benannt ist sie nach den ihr innewohnenden Stalaktiten, die offenbar phantasiebegabtere Menschen als uns an Lumpen (salentinisch: »zinzuli«) erinnern. Warum die Lumpen von der Decke hängen – na, egal ... Dass die Grotta besichtigt werden kann, ist in diesen Breiten offenbar ein Alleinstellungsmerkmal von eher bedeutsamerem Ausmaß: der Parkplatz ist top ausgebaut und riesig, es gibt einen Kiosk, ein Restaurant, Souvenirs und – direkt über dem Meer – einen schon fast unwirklich schön gelegenen Pool, der ein öffentliches Schwimmbad ist.

In der Höhle verläuft ein circa 150 Meter langer Fußweg direkt am Wasser entlang. Vor der Höhle warten Boote auf Touris, die sich zu einer Fahrt in zwei weitere Grotten überreden lassen, die nur vom Wasser aus zugänglich sind. Auch bei der Signora Lumpensammlerin geht ohne Treppensteigen natürlich gar nichts, und unten stellen wir fest, dass die Grotta schon geschlossen hat. Macht nichts, wir sind ja auch nur mittelinteressiert an Archäologie, wenn Himmel und Meer gerade wieder so rosa-zartblau-pastellig zu flüstern beginnen ...

Das schönste zum Schluss ...

Abends kommen wir nochmal zum Porto Miggiano zurück. Der Porto ist in romantisches warmes Licht getaucht, überall wuseln Menschen recht wichtig umher: es wird gedreht!

Leider finden wir nicht heraus, für welchen Film oder welche Serie, aber man lässt uns noch neugierig eine kleine Weile herumstromern, bevor man uns vom Set und leider auch von ›unserem‹ Lokal vertreibt. Und so haben wir noch einen Grund mehr hierher zurückzukehren, eines Tages ...