Wild, karg und gechillt: der Nordosten
Die Anfahrt von Süden her führt die, die sich für die mittig verlaufende LZ-10 entscheiden, über Haría. Kurz vor Haría ist eine Strecke mit ungefähr dreieinhalb Serpentinen zu bewältigen, die praktisch in jedem Reiseführer besprochen wird. Waren die Leute noch nie auf Gran Canaria? Oder wenigstens in Italien?
Haría, die Stadt der 1000 Palmen
Gezählt haben wir sie nicht, aber ja, es waren schon ein paar Palmen in und um Haría. An der wunderschönen Plaza León y Castillo hinter der recht modernen Kirche von Haría stehen allerdings andere, nicht identifizierte Riesenbäume (Eukalyptus?) und bilden ein grünes Schattendach für die Flanierer, die Cafégäste und die Schaufensterbummlerinnen. Und einen Platz später, an der Plaza de la Constitución, knallt einem eine pinkrote Riesenbougeainvillea entgegen. Riesenkakteen? Gibt's natürlich auch!
In Haría, so scheint es, gedeiht das Grünzeug prächtig. Oder es wird hier ein grüner Daumen gepflegt. Auch das Kunsthandwerk wird hier groß geschrieben. Eine wirklich schöne Stadt und großartig gelegen im Tal der 1000 Palmen, mit netten Läden, lauschigen Plätzen und malerischen Gassen! Zu besichtigen gibt es die Casa Museo César Manrique, die wohl (zu?) intime Einblicke in das Alltagsleben des Künstlers gewährt. Wir haben uns gegen den Besuch entschieden. Unser Tipp: der sehr schöne und authentische Mercado Municipal de Abastos de Haría, auf dem man einkaufen und essen und vielleicht sogar mit den Locals ins Gespräch kommen kann. Und unbedingt mit der Korbflechter-Statue davor einen kleinen Plausch halten!
Punta Mujeres – Trinkgeld für Frauen?
Der Google Translator schlägt als Übersetzung für Punta Mujeres »Trinkgeld für Frauen« vor. Es kommt mir unwahrscheinlich vor, dass man ein Dorf so nennen sollte, zumal es eines der ältestens auf Lanzarote ist. Lässt man die Frauen weg, beharrt der Translator auf Trinkgeld, schlägt aber auch Spitze, Landzunge und Ähnliches vor. Eine recht breite, eher sogar quadratische Landzunge findet sich tatsächlich. Wir stellen uns vor, wie dort die Fischersfrauen ihren Männern auf See den Heimweg geleuchtet und für sie gebetet haben. Denn Punta Mujeres ist ein völlig unspektakuläres und sympathisches Fischer- und heute natürlich auch Touristendorf, das aber mit dem Massentourismus im Süden und dessen Massentourist/-innen nichts zu tun hat, sondern eher was für Einheimische und Individualtourist/-innen ist.
In Punta Mujeres hatten wir nach El Golfo unser zweites Feriendomizil. Wirklich direkt am Meer, mit einem Mäuerle, auf dem wir abends ein Bier trinken und dem Wellenrauschen zusehen und -hören konnten. Wie sich herausgestellt hat, die perfekte Wahl, um den windzersausten und einsamen Norden zu erkunden. Am ersten Abend haben wir aber erst einmal die nächste Umgebung erkundet: Punta Mujeres selbst (nach Norden) und Arrieta (nach Süden), beides fußläufig mit einem schönen Spaziergang am Meer entlang zu erreichen.
Die größte Touristenattraktion scheinen die Naturschwimmbecken zu sein, die bei Flut ein geschütztes Bad im wilden Atlantik ermöglichen. Ein holperiger kleiner Pfad – quasi Uferpromenade – führt immer direkt an den Becken mit ihren Einstiegen entlang. Zurück schlendern wir durch den Ortskern, der praktisch ausnahmslos aus weiß gekalkten kanarischen Würfelhäusern besteht: keine Überraschung also!
Arrieta
Die Überraschung hält dafür das Nachbardorf Arrieta bereit: hier ist die größte Attraktion nämlich die Casa Juanita oder das Blaue Haus, das uns eher rot vorkommt und das wirklich überhaupt nicht hierher passt. Kein Wunder, stand doch angeblich ein Puppenhaus dafür Modell. Und zugegeben, die Geschichte ist wirklich traurig. Denn ein ausgewanderter Arrieter, der in Argentinien Vermögen gemacht und eine Familie gegründet hatte, soll das Haus 1916 für seine lungenkranke Tochter erbaut haben, wegen der jodhaltigen Meeresluft. Am Ende starb die Tochter trotzdem, übrig blieb das seltsame Haus (ohne Foto, ist aber googlebar).
In Arrieta haben sich einige Fischlokale angesiedelt, am Südrand des Dorfes gibt es einen Sandstrand mit ein bisschen Infrastruktur. Darüber gibt es einen weiten Himmel, gerne in rosa, und den blau tosenden Atlantik vor der Türe, ebenfalls gerne in Rosa. Sanft schwingen sich hinter den Häusern die Vulkane in die Höhe.
Als Ausgangspunkt für Ausflüge sind Punta Mujeres und Arrieta bzw. unser Standort genau dazwischen einfach genial. Der ganze Norden mit allen sehenswürdigen Wegen und Zielen ist praktisch ›um die Ecke‹, vor allem die Kunst- und Bauwerke von César Manrique. Und zur Blauen Stunde auf unserem Mäuerle am Meer zu sitzen ... einfach unbeschreiblich und ein sehr guter Ort, um Abschied zu nehmen: Adiós, Lanzarote, hasta la vista!