22.09. - 26.09.2022
Torre dell'Orso | Sant'Andrea
Donnerstag, 22. September: Ortswechsel
Das ist ja nun alles nicht weit auseinander, ungefähr 25 km oder so, aber wir haben die Anreise nach Torre dell'Orso trotzdem auf vier Stunden ausgedehnt. Und das, ohne Käse vom Hersteller zu kaufen, was Didn Julia niemals im Leben verzeihen wird und sie sich auch niemals verzeihen sollte, sagt er. Verbracht haben wir die viele Zeit damit, von der Spiaggia degli Alimini zur Baia dei Turchi strandzuwandern, ... aber auch an erschreckend vielen toten Olivenhainen. Das Olivenbaumkillerbakterium geht im Salento um!
Die Zeit am Strand wurde überschattet von einer dunklen Wolke, die irgendwie nicht so recht an den blauen Himmel passen wollte und die sich besorgniserregend genau in unserer Fahrtrichtung manifestiert hat. Wir witzelten, dass es wahrscheinlich hinter unserem neuen Ferienhaus brennt, oder eigentlich witzelten wir, dass unser Ferienhaus brennt ... Und so war's dann natürlich auch, also hinter dem Ferienhaus. Kaum eingezogen, hörten wir schon das Löschflugzeug im Tiefflug über unserem Haus. Und später, nach unserem Nicht-Einkauf in dem Nicht-Supermercato (der, der bald saisonbedingt schließt und überwiegend aus leeren Regalen besteht), haben wir den Brand sogar deutlich gehört.
Unter dem Gummibaum
In Torre dell'Orso haben wir ein Reihenhaus bezogen, das nach dem Motto quadratisch-praktisch-gut gebaut und eingerichtet ist. Mit ein paar Specials. Wir mögen zum Beispiel den hinteren Balkon, zu dem man nur durch die Duschkabine (!) gelangt. Dann stehen überall Unmengen von Kommoden herum, alle leer und nur halb zusammengebaut. Die Küche ist total über-ausgestattet, da hat unser Vermieter Giovanni wohl einen Kaufrausch bei IKEA ausgelebt.
Das Ganze ist überdacht und überschattet von einem Monster-Gummibaum. Schatten wäre eigentlich toll, wenn es immer noch 35 Grad hätte. Hat es aber nicht, abends wird es schon empfindlich kühl – der Herbst ist da!
Am Tag nach der Ankunft gibt es den Gummibaum immer noch. Er sieht uns aber etwas freundlicher an. Wir nehmen ein Sonnenfrühstück auf dem Schlafzimmerbalkon und den Sundowner auf dem Duschbalkon. Der Basilikum hat seinen Platz gefunden. Wir lachen über die Adresse (Parallelstraße von ...), haben heut abend schön gekocht (Thun- und Schwertfischsteak mit Acqua Sale alla Giulia). Das Haus und wir nähern uns an.
Mit viel gutem Willen kann man hinter dem Gummibaum sogar etwas Meerblick erhaschen. Und wir haben einen Gartenschlauch, einen eigenen Hof und einen Balkon mit einem robusten Geländer, über dem wir unsere Kajaks ordentlich trocknen können. Gerade noch rechtzeitig, bevor pünktlich zur Abreise das Wetter kippt und uns ein zünftiges Starkregenereignis am Ende den Abschied leichter macht (siehe unten).
Freitag, 23. September: Heavy Sightseeing
Torre dell'Orso ist nicht umsonst ein im Sommer völlig überfülltes und nun völlig ausgestorbenes Ferienghetto: Hier gibt es neben einem wunderschönen Sandstrand zwei apulische Top-Sehenswürdigkeiten und die haben wir uns heute nacheinander angesehen. Wobei – zuerst haben wir eine weitere (für uns) Top-Location besucht, nämlich den Eurospin in Maledugno. Ein richtiger Supermarkt mit vollen Regalen und echten Angestellten! Und natürlich gibt es den namensgebenden Bärenturm, der den anderen hier in der Gegend recht ähnlich sieht.
Nachdem wir unsere Vorräte für die nächsten Tage heimgebracht haben, ging es zu Fuß und zu Klapprad flugs zur Grotta de la Poesia, die hier einfach die Straße runter von uns aus sozusagen die nächste Hausnummer ist und nur einen Steinwurf entfernt von der Torre di Roca Vecchia, die wir auf der Anreise nach Otranto schon besucht hatten – ohne dass uns klar war, dass sie später noch unsere Nachbarin sein würde.
Didn: Die Grotta ist eine ehemalige Karsthöhle mit einer Verbindung zum Meer, deren Dach eingestürzt ist und der man irgendwann einen metaphorischen und diesmal im wahrsten Sinne des Wortes »poetischen« Namen gegeben hat, um einen großen Parkplatz bauen und diese Sehenswürdigkeit auch touristisch ausschlachten zu können. Glücklicherweise gab es in der Nähe auch noch eine Mauer aus mesapischer Zeit, so dass man dem Besuch nun auch den Anstrich einer archäologischen Exkursion geben kann.
Julia: Ich weiß nicht, warum Didn das so negativ sieht. Ich finde diesen ganzen Küstenstrich einfach spektakulär und wunderschön. Dass die Leute hier versuchen, das touristisch zu verwursten, ist doch nachvollziehbar. Und sorgt ja oft auch dafür, dass es geschützt und erhalten wird. So gibt es zum Beispiel seit etwa einem Jahr ein Badeverbot für die Grotta – auch wenn sich offenbar niemand dran hält. Also: bewundern und genießen!
Didn: Danach ging es mit dem Auto (weil die Klappräder nur noch Julia tragen können) an den wunderbaren Strand, an dessen Ende die beiden Karst-Felsen mit dem Namen Due Sorelle aus dem Meer ragen. Hier gibt es leider keine wissenschaftliche Ausrede, aber natürlich eine poetische Legende. Die gibt Grund genug, um gleich mehrere riesige gebührenpflichtige Parkplätze zu bauen, die derzeit glücklicherweise völlig unbenutzt sind, und es ist wirklich sehr schön da.
Julia: Ja genau, es ist wirklich sehr sehr schön da, praktisch total krasser Traumstrand und auch sonst einiges Traumhafte drumherum!
Zurück ging es über die Dünen durch den Wald und dann ohne Umweg über Dubai nach Hause zum Sonnenuntergang auf unserem Dusch-Balkon.
Samstag, 24. September: Der Wind hat gedreht
Der Wind hat gedreht und vor allem nachgelassen. Somit hatten wir – und mit uns viele Paddler und Supler – endlich Wasser-Alarm! Die Folge war ein rundum wunderbarer Tag auf, im und am Mare. Dazu sind wir zuerst zu einem ausgiebigen und traumhaften Paddelausflug nach Sant'Andrea gefahren, der Heimat der Faraglioni, die bei uns im Familienjargon ›Schnipfel‹ heißen.
Zuerst ging es Richtung Süden, bis wir an einem mega Traumstrand angelandet sind. Dazu muss man sagen, dass der Didn die Julia ein bisschen zu diesem Ausflug gezwungen hat. Wie er sie, sagt er, überhaupt oft zu ihrem Glück zwingen muss. Sie ist sehr froh, dass er das so hartnäckig immer wieder tut. Und wenn dieser Herzenskerl ausgelassen im Wasser zu tanzen beginnt, könnt Ihr erahnen, wie hoch der Glücksfaktor hier war!
Um den Tag dann endgültig perfekt zu machen, gab es den Sonnenuntergang diesmal nicht auf dem Dusch-Balkon, sondern auf dem Hügel von Roca Vecchia. Schade, dass hier im Salento die Sonne irgendwie auf der falschen Seite untergeht. Trotzdem schön, mit Stühlchen und einer Flasche Rotwein ...
... und, weil wir nicht anders können, noch eine kleine »passeggiata a piedi« nach Norden zur nächsten wunderschönen Bucht, der Spiaggia di Portulignu. Leider werde ich (Julia) hier glaube ich nie wieder wegfahren können – es ist einfach zu schön!
Sonntag, 25. September: Wandern und Wählen
Der Tag ging schon mal lustig los. Didn wollte eigentlich schwimmen gehen und Panini holen, hat dann aber Julia geholt, um ins Dentoni zu gehen. Das Dentoni ist Café, Konditorei, Place to be in einem, das heißt alle (!) hier urlaubenden/wohnenden Italiener/-innen haben hier gefrühstückt oder sich Süßkram zum Frühstücken mitgenommen. Das Ganze funktioniert wie eine Art McDonalds für süße Schnittchen, Törtchen und Küchelchen, inklusive einem ebensolchen Ambiente (aber mit Meerblick) und No-Contact-Bestellung über ein Display. Für uns altmodische Menschen eine ziemlich abgefahrene Angelegenheit!
Der gedrehte Wind hat heute deutlich an Stärke zugenommen (ca. 30 km/h). Also an Wassersport nicht zu denken. Stattdessen sind wir die Küste von den Due Sorelle bis hinter Sant'Andrea abgewandert und haben uns auch nochmal unsere Paddelstrecke vom Tag zuvor aus der Drohnenperspektive angesehen. Paddeln wäre heute schlicht lebensgefährlich, so wild waren die Wellen und wir konnten uns zum Teil gar nicht sattsehen am Mare Mosso, an das wir heute sehr oft sehr nah herankamen.
Einen würdigeren Abschluss und Abschied vom Meer als es der gestrige und heutige Tag waren, kann es eigentlich nicht geben. Heute hat die Adria nochmal einen auf Atlantik gemacht (Mare mosso mosso!). Kaum vorstellbar, dass wir an diesen Orten gestern rumgepaddelt sind! Ein wirklich ganz prächtiges Gewelle und Gespritze und Gedonnere!
Zurück ging es durch den superschönen Pinienwald. Wenn Didn wandern geht, macht er keine Gefangenen: eine Jause ist obligatorisch. Vorsichtshalber haben wir gleich zwei Jausen gemacht. Endlich gab es frische Frittura bei der Frittura mit dem passenden Namen »Mare Mosso«. Günstig wars nicht, aber dafür wenig …
Abends waren wir dann noch Essen in Sant'Andrea. Zwar ist das wohl beste Fischrestaurant der Gegend nur einen Steinwurf weit weg direkt in unserer Straße in Torre dell'Orso, aber das hat seit Ende der Saison geschlossen. Es fällt auf, dass in Italien Wahlabend ist, aber davon nirgends etwas zu spüren ist. Und richtig: Die Medien sprechen von einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung. Später am Abend zeichnet sich ab, dass die Rechtspopulistin mit den kruden Ansichten gewonnen hat. Wird Zeit, dass wir hier verschwinden, bevor die uns abschieben …
Montag, 26. September: Es regnet unter'm Gummibaum!
Am Vormittag war es unter einer dichten Wolkendecke noch relativ warm und wir konnten uns mit einem letzten Morgenschwimm in der geschützten Portulignu-Bucht trotz recht heftigem Seegang vom Meer verabschieden. Ab Mittag ist dann das Unwetter, das schon die letzten Tage über ganz Italien zog, auch bei uns angekommen. Wir nutzen die Zeit, um das Gepäck für die letzte Reiseetappe zu sortieren. Die Boote haben wir bereits gestern vom Salzwasser befreit und verpackt, die Klappräder wohnen wieder im Auto. Julia zaubert noch aus den Vorräten ein fulminates Abendessen, das Meer lässt sich vom Balkon aus nur noch im Regendunst erahnen.
Der Urlaub neigt sich eindeutig dem Ende zu, gegen die Abschiedswehmut hilft schlechtes Wetter immer noch am besten. Trotzdem: wenn man nicht so ein verf... Pflichtmensch wäre, könnte frau einfach für immer hier bleiben. Unter'm Gummibaum.