Weiße Stadt, blaues Meer

Villanova / Ostuni

Im allerallerschönsten Haus der Welt

Wir wohnen in Villanova in einem sehr charaktervollen alten Fischerhaus, mit einer knubbeligen Dachterrasse Richtung Hafen und Meer auf der einen Seite und Richtung Sonnenuntergang und pastellige Hausdächer mit Ostuni hinten dran auf der anderen Seite. Assolutamente vietato: zuviel Vino trinken und dann versuchen, die sauschmale ungesicherte Treppe ins Bad hoch zu kommen. Das übrigens Meerblick hat und von seiner hängenden Lage im Haus auch sonst recht abenteuerlich ist. Sonst erwähnenswert sind die schönen Steinböden und der Ausblick, der bei jedem Tageslicht wie gemalt ist.

Die Treppenhausgestaltung wird übrigens M.C. Escher zugeschrieben, der – so sagt man laut Reiseführer – auch in Eschtuni hochaktiv war.

Mo, 5. September – Wo sind wir gelandet?

Heute waren wir mal bissle die Gegend um unser Haus erkunden. Es gibt eine schöne lange Mole mit einem Leuchtturm hinten dran. Es gibt in Klappradnähe ein oder zwei ganz nette Strände. Blöd ist, dass eines der Klappräder kaputt ist und somit unser ganzer toller Klappräderdistanzplan nicht mehr aufgeht. Werden wir also, wie sich das für Italiener-Anwärter/innen und Ballonfüßlerinnen gehört, jeden Meter mit dem Auto fahren.

Dienstag, 6. September – Wir werden heimisch

Jetzt haben wir heute schon den zweiten vollen Tag hier verbracht. Und sind sehr zufrieden mit der Wahl unserer ersten Urlaubs-Homebase Villanova. Tutto recht unaufgeregt hier, Didn ist schon fast von der Feinkost-Lady in der Parallelgasse adoptiert, die ihm heute endlich die heiß empfohlene Burrata verkaufen durfte. Die echt gut war. Und den Fruttivendolo hat Didn auch schon gekriegt, der hat ihm heute eine ganze Zwiebel geschenkt. Ich hab in unserer Meerblick-Miniküche eine ganz köstliche Parmigiana ohne Überbacken gekocht. Ja – wir werden heimisch.

Heute gab es einen Strandnachmittag. Ehrlich gesagt das Beste und einzig Sinnvolle, was man am Meer ab 27°C machen kann. Es gab ein bisschen Beef, ob kleiner Villanova-Stadtstrand oder naturgeschützer Dünenstrand. Der Dünenstrand hat gewonnen, vorerst. Und war auch echt hübscher.

Mittwoch, 7. September: Die weiße Stadt

Dieser Tag stand ganz im Zeichen der weißen Stadt Ostuni. Zum ersten Mal seit 20 Jahren hat Didn eine Apple Keynote nicht live gesehen. Wegen des schönen Abends. Und ein bisschen auch, weil unsere Herberge kein WLAN hat.

Donnerstag, 8. September: Ausflugstag

Alberobellissimo?

Heute hatten wir Ausflugstag, weil das Wetter schlecht werden sollte (Wind!!!). Also waren wir in Alberobello, der Stadt, die für ihre Hunderte Trulli richtig berühmt ist. Leider war zu wenig Wind, es hatte vormittags schon über 30 Grad und wir waren so zwischen halbtot und gereizt aufgrund von Durst, zu heiß und viel zu viele Menschen. Aufgrund des Touristenaufkommens fanden wir Albero gar nicht so bello, bzw. zu bello, je nachdem, wen man fragt. Alberobello ist vielleicht reizvoller an einem kühlen Novembertag.

Nach dem irgendwie enttäuschenden Besuch im Zipfelmützendorf war eigentlich der Plan, über Land und mehr oder minder auf direktestem Weg nach Polignano a Mare zu fahren. Das mit dem direkten Weg hat dann gar nicht so gut geklappt, weil heute Donnerstag und in praktisch jedem Ort der Ort komplett gesperrt war wegen Mercati. Wir kennen daher Castellana Grotte wirklich sehr sehr gut, weil wir – einmal drin – sehr lange nicht wieder herausgekommen sind.

Irgendwann haben wir es dann doch geschafft nach Polignano, das wirklich schön ist, aber auch nicht wirklich ein unentdecktes Fleckchen Erde ... An dem wirklich einzigartig gelegenen Stadtstrand haben wir uns, zusammen mit Horden von herdentriebgesteuerten Einheimischen und Tourist/-innen, ins kristallklare Wasser gestürzt – was Polignano eindeutig zum Retter des angekorksten Tages gemacht hat!

Nun, schließlich sind wir in unserem Villanova nochmal ins Meer gehüpft. Dort ist es definitiv nicht zu schnuzelig oder romantisch oder irgendwas, es hat einfach einen funktionsfähigen Sandstrand, eine Bar und kristallklares Wasser, das dieses Jahr das Marina-Blu-Abzeichen bekommen hat.

Didn hat es am Morgen endlich geschafft, die 10 Minuten zum nächstgelegenen Strand zu laufen für den traditionellen Morgenschwimm. Dabei ist ihm aufgefallen, dass es sich hier um ein typisches süditalienisches Ferienquartier handelt, wie wir es schon aus Castellabate (2020) kennen, mit vielen Ferienwohnungen, die sich um einen Strand herum gruppieren. Es gibt eine kleine Infrastruktur, wie man sie als (einheimischer) Tourist so braucht, in diesem Fall einen in den Keller verbannten CONAD-Supermarkt, zwei überaus nette Fruttivendoli und ein aus der Zeit gefallenes inhabergeführtes Restaurant. Und wir haben das Ding oder Gebäude von außen meerseitig gesehen, interessant abgefuckt ...

Aber na ja, was heißt aus der Zeit gefallen, die wissen schon ganz gut, wie das heute so funktioniert. Nämlich am Abend: mit Tischdecken, gut beleuchtet, sehr professioneller Service. Und knackevoll! Wir waren – weil früh dran – die Letzten ohne Reservierung, die überhaupt einen Platz gekriegt haben. Das Essen war okay, aber vor allem gab uns die gesamte Erfahrung einen tiefen Einblick in das originär italienische Ferienleben. Besonders eindrücklich war das fluchtartige Verlassen des Außenbereichs nahezu aller Beteiligten nach einem katastrophalen Wolkenguss von etwa drei Tropfen pro Tisch.

Immerhin haben wir eines der beiden Klappräder benutzen können. Didn musste laufen, Julia und ihr geschwollener Ballon-Fuß durften radeln.

Freitag, 9. September: Chill Day

Heute keine besonderen Vorkommnisse. Wir haben hauptsächlich in unserem Häusle gechillt, es ist aber auch brachial heiß. Um etwas zu unternehmen, müssten wir buchstäblich früher aufstehen, aber da die Abende mit der gemeinsamen Blog-Produktion angefüllt sind, kommen wir selten rechtzeitig ins Bett. Zur Siesta gab es mal ein paar Regentropfen und am Spätnachmittag haben wir am Dünenstrand ein Gewitter von Ferne gesehen.

Chill Day hin oder her – kurzer Badeausflug muss natürlich immer sein! Diesmal wieder Richtung Norden, in etwa fünfzehn Minuten über einen Fußpfad an der Küste entlang erreichbar. Wir waren da auch schon zuvor mit dem Auto, weil ich ja schon wieder Ballonfuß und so ... Jedenfalls: es gab kein erfrischendes Abkühl-Gewitter, dafür aber als Entschädigung einen Arcobaleno für den Heimweg.

Abends haben wir endlich die berühmten Regina-Tomaten aus Torre Canne beim Händler unseres (inzwischen) Vertrauens entdeckt und erstanden. Geschmacklich (und preislich) sind die Dinger eher etwas overrated, aber die Darreichungsform in Gebinden und die Tatsache, dass sie sich so angeblich in diesem Klima lange halten, ist interessant. Mit etwas Phantasie schmeckt man auch das Meersalz raus.

Angeblich verwendet man die Reginas für Bruschetta und Focaccia. Didn möchte morgen Fisch grillen, da könnten wir das als Beilage probieren. Zuerst müssen wir aber rausfinden, wo wir den Fischmüll danach entsorgen können. Ich glaube, unsere Nachbarn möchten nicht, dass wir dem Vorschlag der Vermieterin-Mutter folgen, alles auf dem Balkon zu deponieren. Sie haben seit heute auf ihrem Balkon direkt nebenan Liegestühle platziert ... Den Vorschlag, es wie die Einheimischen zu halten und allen Müll einfach aus dem Auto an den Straßenrand zu werfen, fand Didn irgendwie nicht so gut.

Samstag, 10. September: Markt und Mee(h)r

Heute haben wir in Postuni auf der Post unseren Strafzettel bezahlt, waren in der Neustadt auf dem Schlaraffenland-Markt, und haben versucht, ohne gescheite Grillanzünder auf unserer Terrasse Fisch von der hauseigenen Pescheria zu grillen. Außerdem gab es köstliche Bruschette aus den Regina-Tomaten und einen ebensolchen Oktopus-Salat mit Stangensellerie. Und es gab endlich Salicornie, ganz einfach mit Zitrone, Knoblauch und Olivenöl – ein nicht alltägliches, schmackhaftes Gemüse.

Leider haben wir erst nach dem Fischkauf festgestellt, dass weder genug Grillkohle noch Anzünderiche da waren. Die gibt es um die Jahreszeit allerdings nicht mehr zu kaufen, zumal die kleineren Supermercati ohnehin auf das Ende der Saison hinarbeiten und alles – sogar den Wein! – so langsam ausgehen lassen. Also Fisch aus der Pfanne und nur das Brot vom Grill. Zuvor musste der Fisch aber noch geschuppt werden, überall spritzen schleimige Schuppen herum, che casino!!! Es gibt ein sehr hübsches Bild von Fisch-Schuppe an Didn-Bauchnabel, aber der Bauchnabel-Besitzer hat verfügt, dass das an dieser Stelle nicht gezeigt werden darf. Auch bei den Salicornie mussten nach dem Anmachen noch die ganz harten Stengel entfernt werden. Insgesamt haben wir uns also superbescheuert angestellt und wären besser einfach gleich Fisch essen gegangen. Denn, wie Didn so gerne zu anderen Gelegenheiten sagt: dafür gibt es Profis. Der Markt war aber toll, laut und bunt und so, dass sofort Lust aufkommt, mit all den Leckereien ausgiebig zu kochen und alles zu probieren. Seeehr gefährlich ...

Sonntag, 11. September: Sonne, Meer und eine kleine Wehmut

Nix groß passiert heute, Julia war nochmal am Dünenstrand (anderes Ende diesmal). Es hatte ordentlich Scirocco, dem der 12-Euro-Sonnenschirm leider nicht ganz gewachsen war, und daher auch ordentliche Wellen. Und wunderschöne Farben, fifty shades of blue. Julia hat jetzt, dank des gebrechlichen Schirms, auch eine wunderschöne Farbe, die aber eher ins Hummerrote tendiert.

Didn ist zuhause geblieben und hat sich an den Haushalt gemacht. Später ist er dann auch noch ans Meer gegangen und hat seinen unerwarteten Freund, den Fruttivendolo No. 2, besucht. Der tote Fisch wohnt immer noch auf unserer Terrasse, in drei Tüten geruchssicher verpackt, und landet vielleicht doch noch am Straßenrand. Wir haben schon angefangen, ein bisschen für die Abreise aufzuräumen, da hat uns eine kleine Wehmut überkommen. Denn dieses Häusle verlassen wir sehr ungern, es ist einfach wunderschön, dabei total unpraktisch, vor allem, wenn man Ballonfuß hat. Aber das macht nichts, wir lieben es genau so wie es ist!

Abends haben wir es wie die Einheimischen gemacht: Focaccia – die apulische Antwort auf Pizza! Hier holen sie die ehrlich jeden Tag paketeweise aus der Focacceria. In unserer zieht man dafür eine Nummer wie bei uns daheim im Einwohnermeldeamt! Und wir eben heute auch, numero sessantadue. Viel zu viel und viel zu fettig und sehr sehr lecker!

Montag, 12. September: Wind und Wellen

Heute ist es uns gelungen, fast um acht aufzustehen, um eine Wanderung zu unternehmen. Der Zeitpunkt war gut gewählt, denn erstens Montag und zweitens der kälteste Tag bisher, die Temperaturen klettern kaum über 29 Grad und es herrscht permanent ein erfrischender Wind, der vielleicht der Scirocco ist, auch wenn er dafür aus der falschen Richtung kommt. Ist aber auch egal, es bläst wie verrückt, quasi Sturm. Der Ort war auch gut gewählt: das Küsten- und Meeresschutzgebiet Torre Guaceto.

Die Wanderung war einfach herrlich, meistens barfuß an wunderschönen Stränden entlang, dazu mare turquesissimo und fotogenes Gewölkel am quietscheblauen Himmel. Eis war aus, aber Meer gab's noch und deshalb auch das obligatorische Bad, denn: Badezeug immer an Mann und Frau!

Auf der Heimfahrt haben wir dann ganz zufällig noch den ultimativen Blick auf Ostuni entdeckt!

Abends gibt es ein opulentes Resteessen auf unserer Traumterrasse, es ist der letzte Abend hier. Ein Abschied ist herzmäßig eigentlich gar nicht möglich, aber es hülft ja nix. Tschüss, Traumhaus, tschüss und ciao, Villanova, wir kommen hoffentlich einmal wieder!


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