In unserem persönlichen Buch das Paradies

2023 waren wir das erste Mal auf Vis. Und gerade mal ein Jahr später waren wir schon wieder dort. Nach dem Besuch der Nachbarinseln Lastovo und Korčula wollten wir wissen, ob wir von Vis immer noch so verzaubert sein werden wie im Jahr zuvor.

Unsere Homebase haben wir wieder in Komiža eingerichtet. Die Insel hat sich verändert in dem einem Jahr, ist touristischer geworden. Die Küstenorte werden von Sightseeing-Schnellbooten heimgesucht, deren Insassen uns auf dem Balkon knipsen. Wir knipsen demonstrativ zurück und wissen jetzt, wie es den Einheimischen dauernd geht.

Kroatien scheint eine Art von Me-first-Touris anzuziehen, die uns nicht unbedingt gefallen und sich so benehmen, als würde das alles ihnen alleine gehören. Sind die wirklich neu oder haben wir sie letztes Jahr einfach nicht gesehen?

Und trotzdem: der Zauber wirkt. Das Licht, das Wasser. Die besonderen Orte. Überall auf der Insel schaue ich und seufze und zücke das Handy und mache ein oder drei oder zehn Fotos und seufze nochmal. Danach ist es immer noch genauso schön, aber das Licht ist vielleicht ein bisschen anders. Also schaue und seufze ich und zücke das Handy usw. Unser persönliches Paradies, immer noch :-)

Schluss mit Balkonien! Es wird geausflugt!

Bei unserem zweiten Aufenthalt haben uns fest vorgenommen, uns vom Balkonblick loszueisen und mehr von der Insel kennenzulernen. Das Jahr zuvor ist uns das nicht gelungen, da hätte ich für immer auf dem Balkon bleiben wollen und habe einfach ein intensives Pomalo-Praktikum vorgeschoben. Diesmal haben wir mit dem Kennenlernen direkt zwei Tage nach Ankunft begonnen und einfach so weitergemacht ...

Meist haben wir die südliche Straße genommen, die deutlich weniger steil ansteigt als die mittige, und eine ganz und gar wunderbare Küstenstraße ist.

Genau, wie eine Küstenstraße sein soll. Eine Küstenstraße soll nämlich steil, eng und kurvig sein und so aussehen, als würde man von ihr direkt und unausweichlich ins Meer fahren oder stürzen.

Mehr als diese zwei Straßen – die mittlere und die südliche – gibt es im Wesentlichen dann auch nicht. Heute haben wir im Prinzip die ganze Insel gesehen, von West nach Ost und Süd nach Nord. Die Orte, durch die wir so gekommen sind, sind wirklich sehr übersichtlich und so, dass man da nicht tot über'm Zaun hängen mag. Aber natürlich trotzdem hübsch.

Internationaler Tag der Weitsicht: Tito und der Hum

Hum, Inselberg, endlich haben wir dich! Geparkt haben wir beim Parkplatz für die Tito-Höhle Titova špilja, weil das Auto den Berg hoch ganz schön hat schnaufen müssen.

Die 290 Treppenstufen zur Höhle sind wir dann zu Fuß hoch gestiegen (Tipp: gleich gutes Schuhwerk anziehen, dann werden es nicht 580 Stufen, weil man nochmal runter muss).

Aus historischer Sicht können wir das nicht beurteilen, aber Tito schien zwischen spartanischsten Wohnverhältnissen und Hummer zu Rotwein arg hin und her gerissen gewesen zu sein ...

Heute war ein richtiger Herbsttag: kühl und windig, aber mit ganz klarer Luft und bester Fernsicht. Daher haben wir den Tag zum »Tag der Weitsicht« erklärt, auch wenn die internationale politische Lage diesen Schluss eher nicht zulässt.

Von der Tito-Höhle zur Crkva Duha Svetog auf dem Gipfel des Hum

Von der Höhle zum Hum gelangt man über einen geschotterten Wanderpfad in einer gemütlichen Dreiviertelstunde. Schöne, leicht gebirgig anmutende Tour mit tollen Blicken zur Küste hinunter. Am Ende des Weges erwartet uns eine entzückende alte Natursteinkirche auf 560 Metern Höhe. Der ›echte‹ Hum ist sogar noch ein paar Meter höher, aber vom Militär belagert: man darf dort nicht hinauf.

Stončica Beach und Leuchtturm

Stončica liegt auf der Ostseite der Insel hinter Milna und ist kein Ort, sondern ein Strand mit Spazierweg zum historischen Leuchtturm. Seit 1865 warnt der 28 Meter hohe und sehr gut erhaltene Leuchtturm die Seefahrenden vor Untiefen und Gefahr! Geparkt werden kann im Baumschatten kurz vor dem Strand, dann geht es zu Fuß weiter. Der Strand fasziniert vor allem durch sein zugehöriges Meer, das in allen »fifty shades of green and blue« schimmert. Selbst von oben vom Pfad können wir im türkisen Wasser unten jeden Seeigel und jeden Stein deutlich sehen.

Genau so geht es weiter. Am quietschblauen Meerhorizont tummeln sich weiße Segelboote. Wir lernen den westlichen Erdbeerbaum persönlich kennen und die Cornwallheideblume Erica vagans. Wir folgen unserem Fußpfad, und plötzlich: spitzelt der Leuchtturm ums Eck!

Auf unserer Wander-App wurde vor einem großen braunen Hund gewarnt, der den Leuchtturm bewacht. Den lernen wir glücklicherweise nicht persönlich kennen. Vielleicht, weil wir einfach das Betretungsverbot respektieren ...

Die 117 Süd ...

... ist die Inselstraße auf der Südseite von Vis, die deutlich schlechter ausgebaut ist als der nördliche Teil, der drei Kilometer weiter oben quasi parallel verläuft. Sie führt durch und zu einigen Weilern, deren Namen alle mit »Pod« anfangen, also unterhalb von irgendetwas liegen. Die 117 ist perfekt, um ganz pomalo! den Charakter der Insel per Zwei- oder Vierrad aus kennenzulernen: Küste, Weinberge, sanfte Hügel, ruhige alte Dörfer, immer in dieses besondere Licht getaucht, das Vis in unseren Augen so einzigartig macht.

Auch scheint hier die Gefahr durch kreuzende Wildtiere geringer zu sein als auf der warnbeschilderten 117 Nord.

In Podšpilje gibt es die Konoba Gušti Poja und einen Abzweig nach Duboka. Dorthin kommt man nur, wenn man nicht dem älteren Herrn in die Hände fällt, der als Verkaufsstrategie seine Waren auf dem Dach einer sehr fotogenen gelben Rostlaube platziert hat und die Leierkasten-Methode perfekt beherrscht. Raffiniert! – und deshalb seien ihm unsere Touri-Euros von Herzen vergönnt: Kapern kann man ja immer brauchen. Smokvenjak (Feigenkuchen) geht so ;-). Und wir wissen ja nicht, dass er in seinem abgenudelten Anzug hinterm alten Steinhäuschen am Pool böse kichernd seine Millionen zählt.

Wunderschön und sehr schmackhaft war danach unser Spontanbesuch des Lokals Aerodrom, das eigenen Wein und kleinere Gerichte zu dezenter Jazzmusik kredenzt. Dazu in die Herbstsonne blinzeln – einfach herrlich!

Rukavac und Plaža Zaglav

Was soll man schreiben. Rukavac ist ein Mini-Dorf, das das Glück hat, dass in fußläufiger Nähe einige superschöne Strände zuhause sind. Ansonsten gibt es hier eine ehemalige Fischfabrik, einige Ferienhäuser und ein besonders hübsches blaues Ruderboot. Das klingt jetzt viel negativer, als es gemeint ist. Hier gibt es halt nichts Aufregendes, aber genau das kann ja manchmal der Jackpot sein ...

Die Plaža Zaglav dagegen ist schon fast unverschämt aufregend. Weil sie nämlich ein Sandstrand ist, und das hat man ja in Kroatien nicht allzu oft. Und zwar ist sie ein wirklich traumhafter Sandstrand in einer äußerst malerischen Bucht, die sich hinter solchen in anderen Ländern nicht zu verstecken braucht. Dadurch, dass sie mit dem Auto nicht direkt erreichbar ist, sondern erlaufen werden muss (per einfachem und schönem Pfad durch duftende Macchia am Meer entlang, es gibt also Schlimmeres), ist sie in der Nachsaison zwar besucht, aber nicht überfüllt. Die Konoba vor Ort hat über den Winter schon geschlossen ... Punkt und klarer Sieg für das Monissa Kušaona: ein wunderschön gelegenes Weingut im Landesinneren, in dem wir stattdessen eingekehrt sind.

Bootsausflug – und Freiheit für die Zehen!

Vom Meer und der Freiheit kann man ja nie genug haben. Deswegen haben wir 2023, als wir gerade noch so innerhalb der Saison da waren, eine halbtägige Bootstour gebucht: Zur Uvala Stiniva (DAS Must-Beach hier!), zur Blauen bzw. eher Türkisen Lagune auf der Otok (oder Otočić?) Veli Budikovac und zur Grünen Grotte, der Zelena špilja auf der Otok (oder Otočić Otočić?) Ravnik. Käpt'n war der Cousin der Tochter unserer Vermieterin namens Milan. Die Kommunikation vorab war etwas einseitig, aber schließlich hatten wir seine Zusage und die Abfahrtszeit. Milan hat zwei Boote, ein (so seine Website) romantisches kleines Plastikboot (rechtes Bild) und ein Speedboot aus Metall. Seine Helferlinge hatte er in jenen Tagen alle an das Goulash Festival verloren ...

Wir haben das blaue Speedboot genommen, und das macht wirklich richtig Spaß :-). Mit entsprechend Tempo sind wir an der Westküste bis zum Leuchtturm gespeeded, dann weiter entlang der Südküste. Die ist steil und zerklüftet und mit unzähligen Höhlen durchsetzt – was sich die Miltärskis schon immer zunutze machten. Hier finden sich viele Einrichtungen aus der Tito-Zeit, die aber nur wasserseitig oder fußläufig erreichbar sind..

Vor dem Ministrand Mala Pritišćina gab es den ersten Schwimmstopp. Der Strand besteht aus komplett weißem Gestein und vielen wunderschönen runden weißen Kieseln. Milos/Kykladen lässt grüßen! Das Wasser war hellsttürkis und völlig klar und mit signifikanten Verzauberungsqualitäten, weshalb ich auch signifikant verzaubert war. Übrigens: keine wunderschönen runden weißen Kiesel mitnehmen, Milan sieht alles. Aber er hat natürlich Recht, shame on me! Leider ist der Strand wirklich nur per Boot erreichbar – oder schwimmend vom Nachbarstrand, zu dem man auch zu Fuß gelangt.

Nächster Halt war dann schon die Stiniva Bucht. Um die machen sie hier einen riesigen Hype (und ja, sie ist schön, aber ich mochte die vorher lieber). Milan erzählt, sie soll einmal eine Höhle gewesen sein, deren Deckedann eingestürzt ist. Gut vorstellbar, weil sich Schwimmende, SUPelnde und Paddelnde zwischen zwei recht hohen Felswänden zum Strand durchschwimmen/-suppeln/-paddeln müssen. Zur Hochsaison ist das hier wahrscheinlich unerträglich voll, bei uns war es total okay.

Weiter ging's zur Blue Lagoon auf der Insel Budihovac, die aber eher helltürkis und überhaupt ganz wunderbar war. Schon wieder schwimmen, an beiden wunderschönen Stränden mit etwa sieben Minuten Fußweg dazwischen und als späten Mittagssnack einen kühlen Weißwein in der stylishen Strandbar … ich schwebe :-)

Früher wurde wohl auf dieser Insel laut Erklärungstafel mal ein guter Rotwein angebaut, den Tito zusammen mit Hummer aus Komiža seinen Staatsgästen kredenzte. Aber das ist lange her und der mittlerweile einzige Bewohner der Insel, der stylishe-Bar-Betreiber, setzt wohl genug mit dem Verkauf von Malvasia an Touristen um.

Danach die grüne Grotte auf der Insel Ravnik war zwar eine Grotte, in die wir hineinschwimmen mussten. Grün war sie aber nicht. Trotzdem ein beeindruckender Raum mit zwei kleinen Löchern in der Decke. Dort fällt normalerweise ein Strahl Sonne herein, der die grünen Lichteffekte erzeugt. Bei uns war leider die Sonne schon auf dem Weg ins Bett, also: keine Lichteffekte! Dafür, hurra, mussten wir auch keinen Eintritt mehr zahlen. Fotos gibts hier keine, weil wir ja im Wasser waren …

Dann, nach soviel Wasserkontakt und Herbstanfang (seit heute hat es unter 30°C!) schon etwas durchgefroren, ging es highspeed zurück in den Heimathafen.

Zum Abendessen gab es superleckere Hausmannskost mit fast ohne Fisch, und eine traumhaft schöne Blaue Stunde. Und ein bisschen Wehmut, weil ich schon anfing, die letzten zwei Tage auf Vis zu zählen ... Ach so, und Freiheit für die Zehen! Findet Mann und zieht lieber keine Badeschuhe an. Ich dagegen laufe lieber auch auf Steinen schmerzfrei, dafür werden die Zehen dann eingesperrt. Darf ja jede/r machen, wie er/sie will, Freiheit für die Eigenheiten :-)

Die Vertreibung aus dem Paradies ...

... hat bei unserem ersten Besuch in Vis-Hafen gegen 6.30 Uhr morgens (!!!) stattgefunden. Zum Abschied haben uns die Insel, der Urlaub oder der Liebe Gott einen besonders schönen Sonnenaufgang spendiert. Die Fähre haben wir trotz Pekara- (Bäcker) und Bar- (Bar) Besuchen dann knapp nicht verpasst – im Gegensatz zu den zwei Goulash-Mädels, die eiskalt zurückgelassen wurden. Tipp: rechtzeitig da sein, beim Auto bleiben! Oder eben nicht, und dann bleibt man einfach für immer hier ...

Rund um die Insel Vis …