Wie aus einem Film, nur schöner

Nach Komiža fährt man vom Fährhafen in Vis etwa 20 bis 30 Minuten. Vor allem das letzte Stück, das in heftigen Serpentinen vom höchsten ›Berg‹ Hum (587Meter) mit maximal erlaubten 20 (selten 40) km/h nach unten zu Ort und Meer führt, ist bei Sonnenuntergang einfach atemberaubend! Ganz oben, bevor es serpentinig wird, gibt es einen Vista Point, der zugleich ein Sunset Hotspot ist. Inzwischen wissen wir, dass unser alter Kerl von Auto diesen Berg auch wieder hochkommt.

Ein paar Eckdaten

Komiža liegt in einer geschützten Bucht an der Westseite der Insel. Im 13. Jahrhundert errichteten die Benediktiner, die von der Nachbarinsel Biševo herüberkamen, das trutzige Kastell an der Hafenmole, in dem heute zu exzentrischen Öffnungszeiten die vier Exponate des Fischereimuseums (zwei Fischerboote, zwei Netze) besichtigt werden können – vorausgesetzt, man findet den Eingang. Der Uhrturm dazu ist aus etwas jüngerer Zeit, nämlich aus 1585. Etwas über der Stadt am Hang liegt sehr pittoresk das Kloster Sv. Nicolas. Das Kloster ist dem Schutzpatron der Reisenden, Seeleute und Fischer geweiht und steht somit goldrichtig.

Früher lebte man hier vom Fischfang: von hier fuhren die Fischer in einer Art Wettlauf in die räumlich begrenzten Fischgründe um das mystische Eiland Palagruža. An einem einzigen Tag wurden dort einmal 120.000 kg Fisch gefangen! In Komiža wurde der Fang danach in damals sieben Fischfabriken verarbeitet, die inzwischen alle geschlossen sind. Schade, dass die Insel aus diesem historischen Erbe nicht mehr macht. Heute ist die Einwohnerschaft von Komiža von rund 5.000 zu Beginn des 18. Jahrhunderts auf etwa 1.300 geschrumpft.

Die Kirche Gospa gusarica aus dem 16. Jahrhundert wurde aus drei mittelalterlichen Kirchen zusammengefügt und ist am Orts-Rand und hinter dem Orts-Strand gelegen. Eine schöne Kirche, mit einer schönen Legende, der zufolge das von Piraten gestohlene Altarbild der Heiligen Piratenbraut Maria deren Abfahrt verhindert habe. Die Piraten hätten das Bild dann ›freiwillig‹ zurückgegeben. Leider ist die Kirche außer zu den Messen nicht geöffnet. Dass sich direkt vor der Kirche Menschen in Badekleidung tummeln und im Wasser plantschen, ist denn doch ein ungewohntes Bild, vor allem in Katholien.

Immerhin gibt es sieben Strände am Ort! Außerdem findet man ein vorbildliches Mülltrennungssystem (zumindest nach außen hin; es wird von einem wilden und gar nicht vorbildlichen Müllplatz am Meer erzählt), recht gut sortierte Supermärkte und sogar einen kleinen Bauernmarkt mit drei Ständen. Kostenlose Parkplätze sind während der High Season Mangelware. Dann nimmt man aber wohl am besten den großen Parkplatz an der Einfallstraße, der wenigstens Schattenplätze bietet für sein Geld.

Komiža hat eine echte Altstadt mit hübschen kleinen Läden, die sich sichelförmig um den Hafen schmiegt, und eine Hafenpromenade mit Konobas, Bars, Pizzerien – alles sehr geschmackvoll gemacht. Bei allem bröckelnden Charme durchaus gepflegt, irgendwie sogar ein bisschen ›gehoben‹, aber ohne gleich mondän zu sein.

Der erste Eindruck oder Auf den ersten Blick

Am Abend der (ersten) Ankunft sind wir nach einem langen und anstrengenden Tag in unserer Ferienwohnung einfach ins Bett gefallen. Beim Aufwachen hört es sich an, als lägen wir im Meer, es plätschert und gluckst und schwappt. Wenn unser Balkon nicht im ersten Stock wäre, könnten wir direkt von dort ins Wasser springen. Beim ›Morgenschwimm‹ vom Wasser aus sehen der Ort und besonders unsere kleine Bucht so aus, als wären wir irgendwie in eine Filmkulisse geraten. Einen Tag darf gechillt werden, dann packen wir die Kayaks aus!

Das Schönste ist ja immer, sich einfach durch die Gassen treiben zu lassen. Was da treibt, ist die Neugier und die Lust daran, um die nächste Ecke zu gucken und dann nochmal um die nächste Ecke. Heraus kommt manchmal Überraschendes, oft Schönes. Schönheit ist ja bekanntlich Geschmackssache: vor allem Liebhaber/-innen abgeranzelter alter Dinge und Türen kommen hier auf ihre Kosten ...

Auf den zweiten, dritten und zehnten Blick

Eigentlich bereits auf den eineinhalbten Blick habe ich mich hoffnungslos in Komiža verliebt. Komiža ist, wovon man immer träumt, aber nie findet. Viele frühstücken ganz Vis in drei oder vier Tagen ab. Wir waren zweimal zehn Tage hier. Die meiste Zeit haben wir in Komiža verbracht, beim Paddeln, Umherschlendern, Schwimmen und vor allem auf dem Balkon beim Pomalo (also gar nichts) machen. Denn von dem Blick auf ›unsere‹ Bucht und ›unseren‹ Strand Žanićevo bin und bin ich einfach nicht satt geworden!

Aus genau diesem Grund waren wir auch gar nicht so oft auswärts essen, sondern haben uns an Hausmannskost mit Meerblick versucht: Gegrillter Hornhecht, Spaghetti nach Hurenart und die Spezialität Komiška Pogača sind nur einige der Leckereien, die wir zubereitet haben oder zubereiten haben lassen.

Bildung ...

Nach einem dieser selbst gekochten Abendessen – Knoblauch mit Ofengemüse, Sprizz und Sonnenuntergang – wurde direkt noch unser Bildungshunger gestillt: von unserem Balkon als Logenplatz aus sind wir in den Genuss eines (etwas näseligen) Vortrags von Franco »Bifo« Berardi gekommen, Italiener, Marxist, Schriftsteller, Philosoph, Aktivist und Gründer von ISSA, der Island School of Social Autonomy, die auf Vis entstehen soll. Tatsächlich interessant und nichts, womit wir hier auch nur ansatzweise gerechnet hätten!

... und Kultur

Davor und danach gab es Gedichte und Partisanen- und Arbeiterlieder auf Kroatisch. Auch wir haben, vielleicht nach einem Gläschen Wein zu viel, sehr inbrünstig »Bella Ciao« gesungen (meine andere, womöglich bessere Hälfte nicht ganz freiwillig, aber: Gitarre immer am Mann!), was wir aber nicht auf YouTube stellen werden. Wir hoffen, die Nachbarschaft ist ebenfalls partizanski und uns wohlgesonnen.

Leonard Cohen's »The Partisan« klingt auf kroatisch fast noch eindringlicher ...

Zum Nachtisch wurde dann noch Goulash serviert, ein sehr buntes und relaxtes Musikfestival (auch für Veganer/-innen geeignet!) und der Grund, warum einmal jährlich sehr bunte und sehr relaxte Goulashskis das Städtchen erobern und das Leben, die Location und sich selbst feiern. Auch Komiža präsentiert sich hier bunt und relaxt und feiert einfach mit. Hip!

Überhaupt gibt sich Komiža welt- und kulturoffen: dank der Goulashskis wird eine Light Night veranstaltet, die den Uhrturm in eine interaktive Screenbühne verwandelt. Und durch ›unsere‹ Gasse schweben leuchtende Fische. Selbst ein bisschen erleuchtet und beseelt, wandeln wir nach Hause. Gute Nacht, Ihr Nachtfalter und Irrlichter und Bodenhafter. Gute Nacht, Ihr Träumer und Süchtigen und Verlorenen. Gute Nacht.

Der Sonne entgegen

Ursprünglich war der Plan, den Mamma-Mia-2-Strand per Kayak anzupaddeln. Doch die unvermutet starke Strömung hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht, also haben wir uns zu Fuß auf den Weg Richtung Sonnenuntergang gemacht. Vom nördlichen Ortsende hinter der Gospa gusarica führt ein schöner und gut begehbarer Makadam am Berghang entlang um die Kurve direkt zum Vista Point für hiesige Sonnenuntergänge. Ein Stück des Wegs weiter kommt man dann zum ABBA-Strand.

Übrigens, wer des Kroatischen nicht so mächtig ist wie wir, die wir nun bestimmt schon zehn Wörter kennen: ein Makadam ist ein unbefestigter Schotterweg.

Am Mamma Mia-Strand, der mit bürgerlichem Namen Plaža Barjoska heißt, wurden elementare Szenen des ABBA 2-Films gedreht. Der Film hat auf Vis einen recht skurrilen Markt mit ABBA-Kreuzfahrten geschaffen und mit Kinos, die nur einen einzigen Film im Programm haben. Was für ein Hype! Angeblich hat man extra für den Transport des Equipments eine unbefestigte Straße zum Strand hinunter gebaut.

Bucht und Strand warten mit runden weißen Kieseln und wahnsinnig klarem Wasser auf. Man würde gerne Zeit hier verbringen, fühlt sich aber wie ein Eindringling. Denn über die ›Straße‹ kommen auch Allradfahrzeuge dort hinunter, also Camper, die dort ihr Lager aufgeschlagen haben und auf unser »Servus« ein bisschen verstört reagieren, obwohl sie (in diesem Fall) aus Memmingen sind.

Auf dem Rückweg wird das Licht immer intensiver, der Sunset naht. Pünktlich erreichen wir ›unseren‹ Sunset Point. Und erleben, schon wieder, einen traumhaften Sonnenuntergang. Aber was soll man sagen. Sonnenuntergang geht halt immer. Vor allem, wenn die Sonne im Meer (oder der Wolke darüber) versinkt und nicht hinter dem Hügel rechts.

Eine Laterne! Back to civilization!

Trotz der magischen Lichtstimmung haben wir den Heimweg dann recht zackig angetreten, um am Berg nicht in die Dunkelheit zu geraten. Und um die Hirsche, Wildschweine und Bären zu meiden, die wir gestern in der Monissa Kušaona als Salami gegessen haben und die wir allesamt gar nicht persönlich kennenlernen wollten.

Jetzt was macht den Unterschied?

Egal welche Tageszeit und Wetterlage, jeder Blick um jede Ecke, jede Natursteinfuge an jedem Haus, jeder Wellenkamm auf dem Meer sieht hier wie ein Gemälde aus. Sogar wenn es bedeckt ist, hat das Meer eine mattglänzende grausilberne Folie an und schimmert wie verrückt. Und wenn dann abends doch noch die Sonne rauskommt, gibt es keine Worte mehr ... Sogar nachts zündet das Wasser warme Lichter an, und die Leuchten der Segelyachten oben am Mast schaukeln sich sachte in den Schlaf.

Das Licht macht den Unterschied, zu Lastovo und zu fast allen anderen Orten, die ich kenne. Vis oder Komiža baden in Licht. Deshalb bin ich dieser Insel verfallen. Und auch wenn es eine Illusion oder ein Tagtraum ist: gebt mir die blaue Pille, bitte!

Das letzte Wort

Fast alles, was wir uns 2023 im Torschlussmodus kurz vor der Abreise noch vorgenommen hatten, haben wir da noch oder im Jahr darauf gemacht und besichtigt. Zum Beispiel: diese Treppe hinunter gehen, um jene Ecke schauen, das Hundeschild an unserem Strand fotografieren, ein Goulash-Plakat klauen, den Stadtplan von Komiža aus der Touri-Info holen, den Berg Hum besteigen, den U-Boot-Tunnel anschauen, von dem wir endlich wissen, wo er ist, den selbstgemachten Orangenlikör unserer Vermieterin trinken, die Blaue Grotte auf Bisevo besuchen. Gassen im Morgenlicht fotografieren.

Allerdings haben wir immer noch keine Oktopus-Peka gegessen (Königskinder-Syndrom – es klappt einfach nicht!), und die Vermieterin haben wir zwar gefragt, ob sie uns ihre Wohnung verkaufen will, aber überredet bekommen haben wir sie nicht. Doof, da müssen wir wohl wiederkommen ;-).

Und sagen Doviđenja statt Zbogom. Und: Hvala!